Frieder Harz

23. Dezember: Unser erstes Krippenspiel in der neuen Gemeinde

Zu besonderen Krippenspiel-Erlebnissen gehören auch die der jungen Familie Harz – als Pfarrfamilie im Donausries. Davon erzählt die folgende Geschichte.
Die Wertinger Holzkirche wurde nach dem Krieg als Notkirche aufgestellt, aber wie so viele Notlö-sungen war sie Jahrzehnte lang in Gebrauch. Dazu trug bei, dass ihre Holzstruktur den Innenraum recht heimelig machte. Das war vielleicht auch ein gewichtiger Grund, die Kirche Bethlehemkirche zu nennen. Der Hl. Abend war damit gewissermaßen das „Patrozinium-Fest“ und das sollte deshalb im Krippenspiel der Kindervesper am Nachmittag gebührend gewürdigt werden. Eine erste Idee, die ganze Kirche mit Stroh auszulegen, wurde aus organisatorischen Gründen wegen des hohen Aufwands verständlicherweise abgelehnt. Aber einige Leute waren bereit, in der Kirche mit einem Lattengestell einen mannshohen Stall aufzubauen, das dann entsprechend geschmückt werden konnte. Das Einüben des Krippenspiels konnte beginnen.

 

Die Personenrollen waren schnell vergeben, aber Ochs und Esel sollten auch dazugehören. Da war die Bereitschaft sehr zurückhaltend. Nun ja, ein Tier von den beiden – am besten der Esel - sollte auch reichen. Aber auch dass der Kunsterzieher der Realschule sich freundlicherweise bereit erklär-te, aus Pappmache einen Eselskopf zum Aufsetzen anzufertigen, zog nicht. Also musste sich das Pfarrerskind Annette notgedrungen mit dieser Rolle anfreunden. Der Eselskopf war uns schon zum Beginn der Adventszeit versprochen worden. Aber der Künstler vertröstete uns: „Ganz bestimmt in der kommenden Woche!“ Leider wiederholte sich das mehrfach, am 4.Advent war der Kopf im-mer noch nicht da. Die Spannung und Ungeduld stiegen: „Wir brauchen jetzt dringend den Eselskopf für die letzten Proben, oder wir lassen es sein!“ „Nein, nein“, antwortete der Kunstlehrer, „Ich mache ihn bestimmt bis übermorgen!“ Na ja, bis zum 23. Dezember mussten wir warten. Dann war er endlich da. Annette setzte ihn vorsichtig auf, zog ihn aber umso schneller wieder ab: „Der stinkt ja fürchterlich nach Leim. Den setz‘ ich nicht auf“. Und ich als Vater und verantwortlich für das Krip-penspiel dachte: „Hoffentlich legt sich der penetrante Geruch in den nächsten vierundzwanzig Stunden“. Immerhin geschah das so weit, dass sich Annette zum Tragen überreden ließ.

Die letzte Probe am Vormittag des Hl.Abend konnte beginnen. Ein Junge hatte als einziges Kind eine Doppelrolle. Er war zweimal Herbergswirt. Da die Kirche gleich zwei Türen nach innen hatte, durfte er auch gleich zweimal die unfreundliche Zurückweisung spielen. Meine Sorge war nur, ob er auch zum Gottesdienst pünktlich erscheinen würde. Denn die Familie hatte im Blick auf Ordentlichkeit und Pünktlichkeit keinen guten Ruf. Aber dann erschien er pünktlich mit einer frisch gebügel-ten Küchenschürze. So ist das manchmal mit den Vorurteilen.

Der Gottesdienst begann und auch das Spiel. Bei der Herbergssuche kam der Wirt voll in Fahrt. Die beiden Türen schlug er mit so voller Wucht zu, dass manche in der Kirche zusammenzuckten. Ob da wohl eigene Ablehnungserfahrungen mitschwangen? Bei dem „Und sie gebar ihren ersten Sohn“ sollte Maria unauffällig das Jesus-Baby nehmen und es liebevoll in die Krippe legen. Aber das Baby war dummerweise noch im Transportbeutel, und eine schwierige Geburt zog sich mit Ziehen und Zerren eine Weile hin. Das Schmunzeln in der Gemeinde war hörbar. Dann war es geschafft und das Windeln des Kindes geschah dann mit der gebotenen Hingabe und Zärtlichkeit.

Die Hirten hatten ihren Lagerplatz rund um den Altar herum. Auf Decken und Schaffellen lümmel-ten sie sich schläfrig hin (wann durfte man das sonst in der Kirche?). Einer brachte es sogar fertig, in dieser Lage Melodien auf seiner Flöte zu spielen. Also beeindruckender Einsatz. Für die Hirtenszene hatte ich mir überlegt, den Scheinwerfer einzusetzen, der direkt auf den Altarraum hin ausge-richtet war und der eigentlich sonst kaum gebraucht wurde, zu nutzen. Bei einer der Proben leuch-tete er auf bei dem Stichwort „Und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und sie fürchteten sich sehr“. Der Effekt war gut. Die Hirten waren überrascht, fuhren hoch, blinzelten verwundert. „Ge-nauso sollt ihr es bei der Aufführung machen“, schärfte ich ihnen ein. Aber eines hatte ich nicht bedacht: Bei den Proben war es draußen immer dämmrig gewesen. Aber an diesem Hl.Abend-Nachmittag schien die Sonne vom klaren Himmel und leider auch zum Fensterband über dem Altarraum penetrant herein. Der Scheinwerfer hatte überhaupt keine Wirkung. Die Hirten wurden nicht mir Klarheit umleuchtet und taten sich auch schwer mit dem Fürchten. Da musste der Sprecher die biblischen Worte sehr auffordernd wiederholen.

In dem opulent ausgeführten Krippenspiel kamen sogar auch die Könige vor. Da durften die Kleins-ten in der Gruppe in den edlen Rollen ganz groß herauskommen. Sie waren ganz hinten in der Kir-che platziert, damit sie mit ihren kostbaren (Plastik-)Gefäßen würdig durch die Kirche schreiten konnten. Weil aber die Kirche so voll war, setzten sie sich hinten auf die Lehnen der Bank, um aus-reichend sehen zu können. Beim Heruntersteigen aber fiel einer der kleinen Könige mit lautem Gepolter von der Bank. Ich befürchtete Schlimmes. Aber ein König muss Würde bewahren, und so tat es der kleine König trotz des Schrecks. Also zogen alle drei feierlich zur Krippe, überbrachten ihre Gaben und knieten nieder. Das war auch das Zeichen für den Abschluss: Alle Kinder wurden eingeladen, nach vorne zur Krippe zu kommen. Und auch sie knieten nieder, wie es die Könige vorgemacht hatten.

Ein kleines Kind wollte nicht alleine vorgehen und forderte energisch seine Oma auf, mit ihm mitzugehen, bis diese dann nachgab und auch nach vorne kam. Und das Kind zog auch an seiner Oma, um es auf die Knie zu bringen. Aber das war zu viel für die gute Frau. Ich fing ihren verunsicherten Blick auf, befreite sie ausdrücklich von der Pflicht zum Knien und erntete einen dankbaren Blick.

Und so kam alles zu einem guten Ziel. Der kleine König ist mit dem Schrecken davongekommen, Annette ist in der Eselsmaske nicht ohnmächtig geworden und die Knie der Oma blieben heil. Gut, dass dann gleich nach dem Ende des Kindergottesdienstes die Pfarrfrau Regine die Regie über-nahm, um alles Nötige für die anschließende Christvesper der Gesamtgemeinde herzurichten.

 

 

 

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