Streit im Tempel von Jerusalem (Matthäus 21,12f.)

Ziele 

  • im Verhalten Jesu seinen Mut mit dem ihn kennzeichnenden Merkmalen erkennen
  • sich zur Unausweichlichkeit der Ereignisse in Jerusalem eigene Gedanken machen

Vorüberlegungen

Das Ereignis der sog. ‚Tempelreinigung‘ ist in den Evangelien nur mit wenigen Worten angedeutet. Es passt so gar nicht in das Jesusbild des liebevollen, einfühlsamen Verkünders der heilsamen Nähe Gottes. Jesus erscheint hier verärgert, wütend, drängend. Mit diesem Verhalten vertritt er energisch und mutig sein Anliegen. Das von ihm beobachtete Verhalten der Händler im Tempel widerspricht seiner Botschaft zutiefst und fordert so seinen Widerspruch heraus: Aus dem Ort des Gebets haben die Verkäufer einen Ort des Handelns und Feilschens gemacht – und das erweckt den Eindruck, dass Gottes Zuwendung erkauft werden muss. Für Jesus ist unerträglich, dass sich Israels Glaube auf diese Weise präsentiert - vor allem den Menschen aus anderen Religionen, die Interesse an Israels Monotheismus zeigen. Welchen seltsamen Eindruck von diesem Glauben müssen die hier gewinnen? Denn als Nicht-Juden ist ihnen nämlich der Zutritt zur inneren Zone des Tempels mit den wesentlichen gottesdienstlichen Handlungen verwehrt.

Was ist die Ursache dieser Händleraktivitäten? Zum einen muss bürgerliches Geld in Tempelgeld umgewechselt werden. Denn das Alltagsgeld zeigt das Bild des römischen Kaisers, der sich wie einen Gott verehren lässt – das ist in den Augen der Juden eine grobe Gotteslästerung. Dieses Geld hat um Tempel selbst nichts verloren. Erst mit dem Tempelgeld werden Opfertiere erstanden, die auf dem Opferaltar geschlachtet werden. Das ist ein anderer Anlass für marktähnlichen Betrieb: das Anpreisen der zum Verkauf bestimmten Kleintiere, die dann den Priestern zum Opfern übergeben werden. Dagegen schreitet Jesus ein. Er zeigt deutlich und energisch seinen Protest, reagiert aufgebracht und wütend – und hinterlässt zugleich so manche Frage, ob dieses Verhalten wirklich klug, wohlbedacht, seiner Botschaft angemessen war.

Der folgende Erzählvorschlag geht von der mutigen Absicht Jesu aus, seine Botschaft auch in den neuen und ganz anderen Gegebenheiten der Stadt Jerusalem und des Tempels weiterzusagen. Daran wird er von dem Verkaufsbetrieb im Tempelvorhof gehindert, und das fordert sein energisches Tun heraus. Mit ihm setzt er seinen eigenen und ganz besonderen Akzent im Tempel.

 

Erzählanregung

Tagelang sind Jesus, Simon, Andreas und die anderen Freundinnen und Freunde Jesu schon unterwegs auf dem Weg vom See Genezareth in die große Stadt Jerusalem. Gerade haben sie eine Anhöhe erreicht. Von dort oben geht der Blick weit ins Land hinein. Da liegt es nun endlich vor ihnen, das Ziel ihrer Reise. Auf einem hohen Bergrücken sehen sie die Hauptstadt des Landes mit ihren mächtigen Mauern. Mittendrin leuchtet ihnen im Sonnenlicht ein mächtiges Bauwerk entgegen – der Tempel. Bald werden sie dort sein. Neben ihnen haben auch andere Reisegruppen Halt gemacht und die Männer und Frauen genießen den Ausblick. Der Tempel ist das Ziel für sie alle. Dort werden sie nun bald das große Jahresfest feiern, mit täglichen Gottesdiensten in dem großen und prächtigen Gotteshaus, mit gemeinsamem Essen und Trinken und Gesprächen mit anderen. Jetzt sehen die Freunde Jesu auch, wie viele Reisegruppen zugleich mit ihnen unterwegs sind. Sie alle haben dieses eine Ziel.

„So viele Menschen!“ staunt Andreas. „Das wird ein ganz schönes Gedränge in der Stadt geben“. Simon fährt fort, zu Jesus hin gewandt: „Denen allen wirst du, Jesus, die gute Botschaft von Gott sagen!“ – „Aber ob das überhaupt geht“, wendet Susanna ein, „ob die Priester im Tempel damit einverstanden sind?“ Andreas meint: „Ich halte das sogar für gefährlich. Wenn da einer zu viele andere um sich versammelt, werden die Soldaten bestimmt misstrauisch und nehmen einen sehr schnell gefangen. Jesus, traust du dich wirklich, im Tempel zu all den vielen Leuten zu reden?“ Jesus antwortet: „So wie ich bisher zu den Leuten gesprochen habe, so will ich es auch im Tempel von Jerusalem tun - auch wenn das den Tempelwächtern nicht gefällt. Denn meine Botschaft ist für alle bestimmt“. Andreas ergänzt dann noch: „Es ist ja auch eine gute Botschaft. Aber sie dort im Tempel zu verkünden, da gehört schon eine Menge Mut dazu. Jesus, willst du das wirklich tun?“ Jesus nickt und sagt nur: „Das ist mein Auftrag, und ich weiß, dass Gott mit uns ist.“

Sie ziehen weiter auf der steinigen Straße, ab jetzt immer Jerusalem und den Tempelberg vor Augen. Und immer wieder reden sie miteinander auch darüber, wie viel Mut dazugehört, dort diese Botschaft von Gott zu sagen, die so neu und anders ist, als sie es von den anderen Glaubenslehrern kennen. Ob das wohl gut geht? Ob die Tempelaufseher das erlauben? Und immer mehr staunen sie über Jesu mutigen Entschluss, auch in Jerusalem die Botschaft von Gottes Liebe den Menschen zu verkünden.

Am nächsten Tag haben sie ihr Ziel erreicht. Nun stehen sie in einer der großen Vorhallen, in denen sich die Besucher auf den Besuch der Gottesdienste vorbereiten. Aber es ist dort ganz anders, als sie es erwartet hatten. Sie hatten gedacht, dass es dort ruhig ist und die Menschen still ihre Gebete murmeln. Stattdessen sehen sie viele Verkaufsstände, an denen das normale Geld in Tempelgeld umgetauscht werden kann, damit man dieses Tempelgeld in die Opferkästen wirft. Man kann davon auch ein Opfertier kaufen kann, das dann den Priestern übergeben wird. Sie sind gespannt, was Jesus nun tun wird. Auch der ist völlig überrascht und sagt nur: „Das darf doch nicht sein! Das hat doch nichts mit dem Glauben an Gott zu tun. Gott schenkt uns seinen Segen, kostenlos, ohne dass wir irgendetwas dafür bezahlen müssten. Das muss ich denen aber jetzt sehr deutlich sagen!“ „Das traust du dich?“ fragt Susanna und meint zu den anderen: „Ich bin gespannt, wie er das macht!“

Aber da hat sich Jesus schon auf eine Steinstufe gestellt und ruft laut: „Hört mir zu, ich habe euch eine wichtige Botschaft zu verkünden! Unser Tempel ist ein Ort des Gebets und kein Jahrmarkt!“ Tatsächlich wird es ruhiger, und Jesus spricht laut weiter: „Gott liebt alle Menschen, ohne dass sie etwas dafür bezahlen müssen. Ihm genügt das, was wir aus Dankbarkeit geben. Dazu brauchen wir keine Händler, die uns mit dem Tempelgeld die Liebe Gottes verkaufen wollen!“ Andreas meint zu Simon: „So mutig habe ich Jesus noch nicht erlebt. Der sagt hier genau das, was ihm auch bisher so wichtig war. Das wird aber Streit geben mit den Händlern!“

Und schon geht es damit los. Einer von denen fährt Jesus dazwischen: „Halt doch deinen Mund und störe unsere Geschäfte nicht! Das war hier schon immer so und so soll es auch bleiben!“ Jesus ruft dagegen: „Nein, das ist ein Haus des Gebets für alle Menschen, und alle sollen hier in Ruhe und Frieden Gottes Freundlichkeit zu uns erleben können. Ihr habt aber eine Räuberhöhle daraus gemacht!“ Die Freunde Jesu sind starr vor Erstaunen über Jesu Worte. Als der Händler neben Jesus wieder anfängt, seine Waren einzupreisen, als ob nichts geschehen wäre, haut Jesus mit der Faust auf seinen Tisch und ruft: „So nicht! Was ich zu sagen habe, das ist für alle wichtig!“ Jetzt gibt es ein großes Durcheinander. Jesus schiebt den Händler samt seinem Tisch zur Seite, der fällt um, Geldmünzen kullern am Boden herum. Auch andere Tische stürzen um, wütende Händler ballen die Fäuste. Aber Jesus lässt sich nicht einschüchtern.

Dann verlassen die Freunde mit Jesus diese Vorhalle und reden aufgeregt mit ihm. „Jesus, warum hast du das getan?“ fragt Andreas. „Du kannst doch diesen Jahrmarkt hier nicht abschaffen!“ Jesus antwortet: „Aber manchmal muss man sehr deutlich sagen, was einem wichtig ist. Ich habe niemand verletzt und niemandem etwas weggenommen!“ Simon fährt fort: „Aber alle haben sehr deutlich deine Botschaft gehört. Jesus, ich bewundere deinen Mut!“ Andreas beugt sich zu Susanna und meint zu ihr: „Aber ob das richtig war, weiß ich wirklich nicht. War das mutig oder waghalsig? Die Tempeldiener haben ja genau gesehen, was dort heute los war. Ich weiß wirklich nicht, wie es mit unserem Jesus hier in Jerusalem weitergehen soll.“ Susanna zuckt mit den Schultern. „Am besten gehen wir jetzt rasch und unauffällig zu unserer Herberge und bereden dort alles ausführlich mit Jesus“. Und so geschieht es dann auch.

 

Gesprächsimpulse

  • Was würdest du Susanna antworten? War es Mut oder etwas anderes?
  • Mit welchen Worten würdest du Jesu Verhalten beschrieben?
  • In dem Gespräch in der Herberge ging es hin und her: Was meint ihr, wie Jesus sein Tun verteidigt hat? Was war ihm wohl wichtig?
  • Aber war es klug, was Jesus getan hat? Welche Folgen wird Jesu Verhalten wohl haben?
  • Hätte Jesus seine Botschaft anders verkünden oder besser gar nicht sagen sollen?
  • Was findet ihr an Jesu Verhalten bewundernswert? Was findet ihr nicht so gut?
  • Darf man so wütend sein, wie es Jesus im Streit mit den Händlern war? Begründe deine Meinung!

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