Josef kann seinen Brüdern verzeihen (1. Mose 42-45)


Ziele 

  • in dieser Geschichte das Ringen Josefs mit seinen Erinnerungen und ganz unterschiedlichen Gefühlen mitempfinden
  • erleben, wie die gelingende Versöhnung für alle befreiend ist

Unter den Söhnen Jakobs, des Repräsentanten der zwölf Stämme Israels, nimmt Josef im ersten Buch der Bibel eine Sonderrolle ein. Breit wird ausgeführt, wie er die Rolle des verwöhnten Lieblingssohns innehatte, die Brüder ihn in ihrem Neid und Zorn verprügelten, ihn aus Angst vor dem Vater in eine leere Zisterne steckten und an eine Karawane nach Ägypten verkauften. Dort geschah der wundersame Aufstieg Josefs vom einfachen Sklaven zum Stellvertreter des Pharao. Auch die Wiederbegegnung mit den Brüdern ist breit angelegt, mit zahlreichen Einzelepisoden. Um der Vereinfachung der Erzählung willen sind diese Einzelfacetten der biblischen Erzählung auf eine übersichtliche Auswahl konzentriert.

 

Erzählanregung

Josef sitzt in seinem Arbeitszimmer im großen Palast des ägyptischen Königs, des Pharao. Er ist nach ihm der zweitmächtigste Mann im Reich der Ägypter. Auf seinem Arbeitstisch liegen die Berichte von den vielen Getreidescheunen überall im Land. Seine Aufgabe ist es nämlich, die Versorgung der Bevölkerung mit Getreide zu leiten. Er blättert in den beschriebenen Papyrusrollen und seufzt. „Die Hungersnot ist jetzt schon im dritten Jahr“, murmelt er vor sich hin. Hoffentlich reichen die Vorräte noch bis zur nächsten Ernte“.

Es klopft, und einer seiner Mitarbeiter tritt ein. „Herr Minister“, sagt er, „die Zahl der Menschen, die unsere Getreidevorräte zum Überleben brauchen, nimmt zu. Die Hungernden kommen jetzt schon aus den Nachbarländern zu uns. Schaut selbst, wie sie in einer langen Schlange vor der Verteilstelle unten im Hof anstehen“. Beide gehen zum Fenster, und Josef sieht Menschen in den verschiedensten Gewändern. „Wie sollen wir uns verhalten? Sollen wir auch ihnen Getreide geben?“ fragt der Verwalter. Josef nickt und meint: „Aber nicht mehr, als sie unbedingt zum Leben brauchen. Wir müssen darauf achten, dass die Vorräte für alle reichen“. Beide blicken weiter in den Hof hinunter, und der Verwalter fährt fort: „Sogar Hirten aus Palästina stehen hier schon an“, und nach einer Weile verlässt er den Raum.

Josef setzt sich. Auf einmal sind in ihm wieder Erinnerungen lebendig, an das, was er vor etlichen Jahren erleben musste. Er ist ja selbst Sohn eines Hirten aus Palästina und hat elf Brüder. Er ist der Zweitjüngste und es ging ihm damals gut. Seine älteren Brüder mussten viel mehr arbeiten als er und sie nahmen ihm das übel. Er spürt es wieder, wie sie ihn draußen auf dem Feld schlugen, dann aus Angst vor dem Vater in einen leeren Brunnen steckten und dann feige an eine Karawane verkauften, die auf dem Weg nach Ägypten war. Viele harte Jahre waren es für ihn, in denen er sich von einem einfachen Sklaven bis zum Berater des Pharao hocharbeitete. Wieder geht er ans Fenster und murmelt: „Ja, die da unten, die haben Kleider, wie ich sie früher auch hatte. Ob ich wohl noch jemand von denen kenne?“

Er geht hinunter zur Halle, in der an die Wartenden Korn verkauft wird und schaut den königlichen Beamten bei ihrer Arbeit zu. Jetzt sind diese Hirten an der Reihe, und jetzt erkennt er sie auch. Es sind seine Brüder. Ihn erkennen sie freilich nicht in dem prächtigen Gewand eines königlichen Ministers. Er schaut zu, so als ob er die Arbeit der Kornverteiler überprüft, aber in seinem Kopf schießen die Gedanken hin und her und seine Gefühle gehen wild durcheinander. Soll er sich ihnen zu erkennen geben und das Wiedersehen feiern? Nein, denn der Zorn und die Wut auf sie, dass sie ihn einfach verkauft haben, ist auch wieder da. ‚So einfach geht das nicht mit dem Verzeihen‘, denkt er sich.

Er schaltet sich in das Gespräch seiner Brüder mit dem Kornverteiler ein und sagt in barschem Ton: „Das sind Spione aus Palästina. Verhaftet sie und bringt sie ins Gefängnis. Später will ich sie selbst verhören!“ Die Brüder werden bleich vor Schreck und stammeln: „Wir sind keine Spione! Wir haben nur Hunger und wollen ganz ehrlich Getreide kaufen“. Aber Josef winkt nur ab, und sie werden von Soldaten in das Gefängnis gebracht. Später lässt er sie zum Verhör zu sich bringen und fragt sie aus: „Woher kommt ihr? Wie heißt ihr? Wer gehört alles zu eurer Familie?“ Sie nennen ihre Namen und auch den von Benjamin, Josefs Lieblingsbruder, der nicht dabei ist. Bei jedem Namenwachen immer wieder neue Erinnerungen in Josef auf. Und dann spricht er sein Urteil: „Ich traue euch nicht. Ihr bekommt jetzt zwar reichlich Getreide mit, aber einer von euch“ – und er deutet auf Simeon – „muss hier bleiben. Ruben, der Älteste bittet ganz demütig: „Lasst uns doch bitte alle gehen, wir sind bestimmt keine Spione!“ Aber Josef antwortet: „Das kann ich nur beurteilen, wenn ich alle von euch kenne“. Ruben bettelt weiter: „Wenn wir heimkommen und Simeon fehlt und wir sollen auch noch Benjamin mitnehmen, dann hält das unser Vater kaum aus. Schließlich hat er schon einmal einen Sohn verloren“. „Erzählt mir das genau“, verlangt Josef, und schuldbewusst erzählen die Brüder, was damals mit Josef geschah und dass es ihnen Leid tut. „Geht, ihr habt mein Wort“, sagt Josef dann. „Wenn ihr mit Benjamin zurückkommt, wird euch nichts geschehen!“ Und dann schickt er sie weg.

Josef sitzt noch eine Weile grübelnd da: „War es richtig, den Brüdern so viel Angst zu machen? Aber sie sollen schon spüren, wie es ist, wenn man ungerecht behandelt wird. Und schließlich habe ich ihnen ja mein Ehrenwort gegeben, dass ihnen nichts passieren wird“.

Die Tage und Wochen vergehen. Dann sind die Brüder wieder da, diesmal mit Benjamin, dem jüngsten Bruder. Josef bestellt sie zu sich in sein Arbeitszimmer, auch mit Simeon, den er im Gefängnis die ganze Zeit gut versorgen ließ. Als Josef seinen Lieblingsbruder Benjamin vor sich sieht, wird es ihm auf einmal ganz warm ums Herz und Tränen treten ihm in die Augen. Er wendet sich ab, tritt ins Nebenzimmer, sammelt sich wieder. Dann legt er seine königlichen Gewänder ab und zieht die alten Kleider noch einmal an, mit denen er damals an die Karawane verkauft wurde, und die er aufgehoben hatte.

So tritt er wieder vor seine Brüder und sagt: „Ich bin Josef, euer Bruder. Ihr hattet mir Böses angetan, aber Gott hat Gutes daraus werden lassen. Vor der Hungersnot müsst ihr fortan keine Angst mehr haben. Holt noch den Vater, und dann seid ihr hier bei mir meine Gäste, so lange ihr wollt“. Die Brüder brauchen eine Weile, bis sie begriffen haben, was da gerade geschieht. Aber dann löst sich in ihnen die staunende Verwunderung. Sie umarmen Josef und bitten ihn herzlich noch einmal um Verzeihung für das, was sie ihm damals angetan hatten. Und in einem festlichen Abendessen besiegelt Josef die Versöhnung mit seinen Brüdern.

 

Gesprächsanregungen

  • Als Josef seine Brüder zum ersten Mal wiedersah, wurden so viele Gefühle in ihm wach. Ganz unterschiedliche Stimmen waren da ihn ihm da. Was sagten sie wohl zu ihm?
  • Zwischendurch machte sich Josef Gedanken, ob es richtig war, seine ahnungslosen Brüder so hart anzugehen. Was meint ihr dazu?
  • Zum Schluss fiel es Josef gar nicht schwer, seinen Brüdern zu verzeihen. Was war es wohl, was ihm das Verzeihen leicht gemacht hat?
  • „Ihr hattet Böses im Sinn, aber Gott hat Gutes daraus werden lassen“ meinte Josef zum Schluss. Wie hat er das wohl gemeint?

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