Elisabeth von Sachsen bzw. Rochlitz – eine unbeugsame und tatkräftige Reformatorin

 

Vorüberlegungen

Elisabeth wurde 1502 in die Fürstenfamilie der hessischen Landgrafen hinein geboren. Sie erlebte eine von den Zwängen der großen Fürstenhöfe befreite Kindheit, zusammen mit Bruder Philipp, der später zum politischen Anführer der reformatorisch gesinnten Fürsten in Deutschland wurde.

Mit erst 13 Jahren wurde sie mit Johann von Sachsen aus der albertinischen Linie der Wettiner verheiratet. Während die ernestinische Linie mit Kurfürst Friedrich dem Weisen und seinen Nachfolgern eng mit dem reformatorischen Geschehen verbunden war, hielt der Albertiner Herzog Georg in Dresden streng an der bisherigen religiösen Tradition fest.

Mit 15 Jahren kam Elisabeth dann ins Dresdner Schloss. Von Bruder Philipp und von ihrem ernestinischen Vetter Johann Friedrich erfuhr sie viel von den reformatorischen Ereignissen in Wittenberg und wurde zur begeisterten Anhängerin Luthers. Während Herzog Georg zunächst ihren Drang nach Selbständigkeit und ihre Eigenwilligkeit wohlwollend duldete, wurde sie mit ihrer Zuneigung zum reformatorischen Glauben immer mehr zu seiner Gegnerin. Der Konflikt spitzte sich zu, als Elisabeth die für sie verpflichtende Teilnahme an Beichte und Abendmahl in der alten Tradition verweigerte. Aus der jungen Herzogin wurde eine am Hof weithin geächtete Person. Trotzdem hielt sie entschieden an ihrer reformatorischen Gesinnung fest und konnte in besonders schwierigen Situationen (etwa dem fingierten Vorwurf des Ehebruchs) auch mit der Unterstützung von Bruder und Vetter rechnen.

Die entscheidende Wende in ihrem Leben ergab sich mit dem unerwarteten Tod ihres Ehemannes und Thronfolgers Johann. Als herzogliche Witwe stand ihr laut Ehevertrag die Herrschaft über das Teilherzogtum Rochlitz zu. Auch gegen mancherlei Widerstände ihres Schwiegervaters führte sie dort konsequent und umsichtig die Reformation ein. In unzähligen Briefen vermittelte sie auch in mancherlei reichspolitischen Konflikten und wurde so eine der einflussreichsten und wirkmächtigsten Frauen der Reformationszeit. Zur Absicherung ihrer reformatorischen Aktivitäten trat sie – als einzige Frau – dem politischen Bündnis von Schmalkalden der evangelischen Fürsten bei.

Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen ab 1547 musste sie aus Rochlitz fliehen. Sie fand in Hessen Unterschlupf, engagierte sich dort auch politisch während der Gefangenschaft ihres Bruders Philipp. Sie starb 1557 und wurde in der Elisabethkirche in Marburg beigesetzt.

Der erste Erzählteil nimmt die Reise zur Hochzeit des ernestinischen Kurprinzen Johann Friedrich in Torgau 1527 zum Anlass, Elisabeth in ihren verwandtschaftlichen Beziehungen, ihrer Biografie und Zuneigung zur Reformation vorzustellen. Dabei wird auch schon sichtbar, wie die religiösen Spannungen in Dresden ihr zu schaffen machen. Sie will eigenständig ihren Glauben leben und doch auch ihrer Verantwortung als junge Herzogin gerecht werden.

Der zweite Erzählteil verfolgt die zunehmende Entfremdung zwischen Elisabeth und Georg bis hin zum offenen Zerwürfnis. Mit ihrem Festhalten am neuen Glauben wird ihr der herzogliche Hof immer mehr wie zu einem Gefängnis. Die Erzählung macht deutlich, welchen hohen Preis sie für ihre religiöse Überzeugung zu zahlen bereit ist. Anregungen zum Nach- und Weiterdenken ergeben sich aus Elisabeths Gesprächen mit Herzog Georg über Glaubensfreiheit und Glaubenseinheit sowie mit dem jungen Herzog Johann über das, was Elisabeth an ihrem Glauben so sehr wichtig ist.

Der dritte Erzählteil widmet sich Elisabeths reformatorischen Aktivitäten in ihrem eigenen Herrschaftsbereich Rochlitz. Es geht um die Förderung evangelischer Predigt wie dem Bewältigen von Hindernissen, die ihr in den Weg gelegt werden. Zukunftsweisend ist, wie sie dabei die ihr so wichtige Glaubensfreiheit in politische Entscheidungen umsetzt. Schließlich regt zum Weiterdenken an, wie die Botschaft des Glaubens mit der Sorge um das Wohlergehen aller Menschen zusammenhängt.

In der Erzählung werden die historisch belegten Ereignisse und Entwicklungen in erdachten Szenen und Dialogen strukturiert und veranschaulicht.

 

Erzählung – Teil 1: Festliche Tage in Torgau

Auf dem Elbe-Fluss ist im Mai 1527 ein ganz besonders Schiff von Dresden aus unterwegs nach Torgau. Es ist mit dem Wappen des Herzogs des einen Teils von Sachsen geschmückt. In Torgau hat der Kurfürst des anderen Teils von Sachsen sein Schloss. Er hat unzählig viele Gäste zur Hochzeit seines Sohnes Johann Friedrich mit Sibylle von Kleve eingeladen. Die Reisenden auf dem Dresdner Schiff sind schon sehr gespannt, was sie wohl in Torgau alles erwarten wird. Der regierende Herzog Georg führt Gespräche mit seinen Räten. Denn wenn so viele Fürsten aus ganz Deutschland zusammenkommen, ist das eine gute Gelegenheit, wichtige politische Fragen zu bedenken.

„Wenn wir sächsischen Fürsten in Dresden und in Torgau noch denselben Glauben hätten, wäre diese Reise für mich viel angenehmer“, meint Herzog Georg. „Wie sehr Kurfürst Friedrich in seiner Stadt Wittenberg zugelassen hat, dass Martin Luther seine neuen Lehren verbreiten durfte, das ist für mich nur ärgerlich. Und sein Nachfolger Johann fördert die neue Lehre, wo er nur kann. Solange ich lebe, wird diese neue Lehre in meinem Land auf keinen fruchtbaren Boden fallen. Da soll es in Glaubensdingen so bleiben, wie es immer war!“ Die Räte nicken zustimmend. Und alle wissen genau, wen Herzog Georg mit diesem fruchtbaren Boden ganz besonders meint: nämlich Elisabeth, die Frau seines Sohnes Johann. Denn die denkt ganz anders über den neuen Glauben. Sie blickt mit ganz anderen Gefühlen dem großen Hochzeitsfest entgegen.

Als nach einer Flussbiegung die Stadt Torgau in den Blick kommt, meint sie zu ihren Hofdamen: „Ich bin wirklich gespannt darauf, einen Hochzeitsgottesdienst im neuen lutherischen Sinn mitzuerleben. Schaut“ – und sie deutet auf die in der Sonne glänzenden Türme der Marienkirche - „dort wird er stattfinden“. Viel mehr sagt sie nicht, denn sie weiß, dass es nur Ärger bringt, wenn Herzog Georg erneut von ihrer Zustimmung zu der reformatorischen Lehre aus Wittenberg erfährt. Sie freut sich ganz besonders darauf, ihren Bruder Philipp, den Landgrafen von Hessen, wiederzusehen. Der konnte es sich als Landesherr leisten, deutlich und entschieden für den neuen Glauben einzutreten. Sie freut sich auch auf die Begegnung mit dem Bräutigam. Denn Kurprinz Johann Friedrich ist ihr Vetter, mit dem sie sich gut versteht. Auch mit ihm kann sie offen über die evangelische Botschaft reden und ihre Begeisterung dafür mit ihm teilen. Während sie daran denkt, wird ihr schon ganz warm ums Herz.

Als das Schiff in Torgau anlegt, kann man schon viel von den Festvorbereitungen sehen. Zur Versorgung der wohl über tausend Gäste wurden auf den Uferwiesen Zelte errichtet, in denen die Speisen vorbereitet werden. Schon etliche Schiffe mit den Wappen ihrer Fürsten sind am Ufer vertäut. Elisabeth muss an ihre eigene Hochzeit vor zwölf Jahren in Rotenburg in Hessen denken. Dort hatte sie eine fröhliche Kindheit verbracht, zusammen mit ihrem Bruder Philipp. Sie konnte zeigen, was in ihr steckt, auch ihren Eigensinn und ihr Selbstbewusstsein. Das war ihr schon damals viel wichtiger gewesen als gedankenloser Gehorsam. Aber als sie dann zwei Jahre nach ihrer Hochzeit als fünfzehnjährige Herzogin an den Dresdner Hof kam, war dort alles ganz anders. Streng und kühl geht es dort zu. Der alte regierende Herzog Georg setzt den Gehorsam an die erste Stelle. Mit ihrer Offenheit und auch ihrem Widerspruchsgeist machte sie sich schon bald viele der einflussreichen Persönlichkeiten am Hof zu ihren Gegnern und sich selbst damit das Leben schwer. Elisabeth versucht die aufsteigenden bitteren Gedanken zu verdrängen. Denn jetzt will sie unbeschwert eintauchen in die festliche Hochzeitsgesellschaft.

Endlich ist auch ihr Bruder Philipp mit seinem Hofstaat angekommen. Die Geschwister begrüßen einander herzlich, und bald finden sie auch Zeit, abseits des Trubels und vor neugierigen Ohren geschützt, miteinander zu reden. Philipp meint: „Ich hätte nie gedacht, dass es für dich am Dresdner Hof immer schwieriger wird. Du weißt ja auch noch, wie unsere Landgrafenfamiie mit der Familie von Herzog Georg und Herzogin Barbara herzlich verbunden war. Du hast dich auf die Ehe mit Johann gefreut, und auch auf das Miteinander mit seinen Eltern. Du hast sogar einiges dafür getan, dass Johanns Schwester Christina meine Frau werden konnte. Und Georg hat dich doch auch lange Zeit sehr gemocht“.

Dann seufzt er und meint: „Ich hätte nicht gedacht, dass Georg so starrköpfig am alten Gauben festhält, während die Fürsten um ihn herum evangelisch werden. Gerade das macht ihn bitter und auch hartherzig. Am schlimmsten ist für ihn dabei sicherlich, dass ich inzwischen zu einem Anführer und Sprecher der evangelischen Fürsten geworden bin. Das empfindet er wohl als Verrat an der früheren Freundschaft“. Elisabeth nickt und meint noch: „Dir und auch Johann Friedrich verdanke ich, dass ich so viel über Martin Luther und seine Mitreformatoren erfahren konnte. Ihr habt mich über die Vorgänge in Wittenberg auf dem Laufenden gehalten. Von euch habe ich Luthers Schriften und auch seine Übersetzung des Neuen Testaments bekommen. Ich lese gerne und viel in ihnen, obwohl ich sie vor den Blicken vieler anderer verstecken muss“. Und dann fügt sie noch mit Nachdruck hinzu: „Aber ich will mich als junge Herzogin in Dresden nicht in meinem Glauben verbiegen lassen. Ich will zu Johann halten und meine Mitverantwortung für das Wohlergehen der Menschen in unserem Herzogtum Sachsen wahrnehmen. Aber in meinem Glauben will ich ein freier Mensch bleiben!“

Gesprächsanregungen

  • In der Erzählung hast du einiges über Elisabeth erfahren. Was war dir dabei besonders wichtig?
  • Um des Glaubens willen ist die anfangs gute Beziehung Elisabeths zu Herzog Georg zerbrochen. Warum wohl war Elisabeth ihr Glaube wichtiger als die freundschaftliche Beziehung zu Herzog Georg?
  • Für Elisabeth passten Glauben und Gehorsam nicht zusammen. Wo erscheint dir dieser Gegensatz richtig, wo nicht?
  • Für Elisabeth war es in Torgau wohltuend, viele Gleichgesinnte um sich zu haben. Kannst du das nachempfinden? Wo ist so etwas auch für dich wichtig?

 

Erzählung – Teil 2: Eine einsame Stimme am Dresdner Hof

Viel zu schnell sind die festlichen Tage in Torgau vergangen. Elisabeth hat die vielen Begegnungen mit Verwandten und Bekannten genossen, ganz besonders die Gespräche mit Personen, die sich auch den neuen Gedanken aus Wittenberg zugewandt haben. Jetzt wohnt sie wieder in ihren eigenen Gemächern im Dresdner Schloss. Sie sind zwar recht geräumig, aber sie fühlt sich in ihnen noch mehr als vorher eng und im ganzen Schloss wie eingesperrt. Ihr Ehemann Johann ist bei ihr und meint: „Ich habe wohl gespürt, wie sehr du dich zu unseren Verwandten hingezogen gefühlt hast, die lutherisch geworden sind. Hoffentlich ist das meinem Vater nicht aufgefallen, sonst macht er dir das Leben noch schwerer als bisher. Du kennst ihn doch. Er will eben unbedingt verhindern, dass unser Land auch lutherisch wird. Er befürchtet, dass du auch mich vom neuen Glauben überzeugen willst und dass damit nach seinem Tod unser Land auch evangelisch wird. So sehr mein Vater dich am Anfang unserer Ehe gern gehabt hat, so sehr ärgert ihn deine Zuneigung zur neuen Lehre“. „Aber ich kann mich doch nicht immer verstellen und meinen Glauben verleugnen“, antwortet Elisabeth heftig. „Ich besuche die Messgottesdienste im Schloss, die in der alten Form stattfinden, obwohl ich mich nach der neuen sehne. Ich versuche seinen Zorn zu vermeiden, wo ich nur kann. Ich will ja gerne eine treue junge Herzogin in unserem Sachsenland sein und deinen Vater und dich in den Regierungsaufgaben unterstützen. Aber ich weiß auch, dass die Heimlichtuerei ein Ende haben muss. Ich will und muss allen am Hof zeigen, wo ich meine neue Glaubensheimat gefunden habe“.

Johann erschrickt. „Bedenke, dass mein Vater in seinem Zorn zu harten Maßnahmen greifen kann. Du hast selbst miterlebt, wie es unserem Hofprediger Chrosner ergangen ist, als er sich offen zum lutherischen Glauben bekannt hat. Er wurde ins Gefängnis gesteckt und hatte Glück, dass er es gerade noch geschafft hat, aus unserem Land zu fliehen. So etwas möchte ich dir gerne ersparen“.

Nach einer Pause fragt er: „Was ist eigentlich das Besondere an dem Neuen, das dich so sehr überzeugt und begeistert?“ Er muss bei Elisabeth nicht lange auf Antwort warten: „Dass jeder Mensch seine ganz eigene Beziehung zu Gott haben kann, mit all dem, was für ihn an dieser Beziehung ganz besonders wichtig ist. Wir müssen nicht nur nachsagen, was andere uns vorgedacht und vorgesagt haben. Kirche, Priester, Bischöfe, Päpste sollen nicht über unseren Glauben verfügen und die Macht haben, uns den Weg zu Gott zu öffnen oder zu verschließen. Wir dürfen selbst glauben!“ „Und was ist dann die Aufgabe der Kirche?“ fragt Johann zögernd. Elisabeth antwortet: „Sie soll in uns die Freude an der frohen Botschaft wecken. Sie soll uns helfen, diese Botschaft in der Bibel selbst aufzuspüren. Die Bibel soll uns zum entscheidenden Glaubensbuch werden. Ihre Worte sollen uns zu einem Schatz werden, den wir gerne mit anderen teilen und der so für uns selbst immer größer wird. Dazu ist Kirche da!“ Johann antwortet: „Jetzt verstehe ich dich noch besser und auch, woran du hier im Schloss so sehr leidest: Du vermisst diese Kirche als eine Gemeinschaft von Menschen, die gerne und freudig miteinander ihren Glauben teilen und er ihnen dadurch immer wertvoller wird“. Elisabeth nickt zustimmend.

Monate später kommt es zum großen Krach im Dresdner Schloss. Elisabeth hat sich geweigert, zur Beichte und zum Abendmahl in der alten Form zu gehen. Aufgeregt wird in den Zimmern und auf den Gängen getuschelt, was nun wohl mit ihr geschehen wird. Elisabeth wird umgehend zu ihrem Schwiegervater Herzog Georg hin befohlen, der sie zornbebend empfängt: „Was du getan hast, ist unverzeihlich. Die Aufgabe aller Mitglieder am Hof ist es, in ihrem Verhalten dem Willen des Fürsten zu folgen. Das gilt auch für die Religion. Wenn wir hier nicht die Einheit leben, sind wir kein Vorbild für unser Volk“. Elisabeth wirft ein: „Aber im Glauben muss doch jeder für sich selbst verantwortlich sein“. Georg erwidert scharf: „Das ist ja gerade der Unsinn der neuen Lehre, die von Luther ausgeht. Sie zerstört die Einheit des Glaubens und das bringt Unruhe und Unordnung ins Land. Deshalb will ich, dass es im Glauben so bleibt wie es bisher war. Ich verlange von dir, dass du dich an meine Anweisung hältst. An deine Glaubensbrüder Philipp und Johann Friedrich wirst du fortan keine Briefe mehr schreiben, in denen es um Religion geht. Ich möchte keine Schriften der Reformation bei dir sehen. Und jetzt geh!“

Für Elisabeth wird das Leben am Hof noch enger und unerträglicher. Sie ist immer weniger die junge Herzogin und Ehefrau von Herzog Johann, die den Angestellten in ihrem Wohnbereich Anweisungen erteilt, wie es bisher üblich war. Sie fühlt sich von ihnen eher überwacht , ob sie die Anweisungen des alten Herzogs Georg befolgt. Sie fühlt sich wie in einem Käfig, in dem sie von anderen mit neugierigen Augen kontrolliert wird. Ihr einziger Trost ist ihr eigener Glaube. Auch Johann steht immer noch an ihrer Seite, obwohl er immer noch kein rechtes Verständnis dafür hat, warum ihr dieser Glaube so wichtig ist. Der hat sie doch in diese Schwierigkeiten gebracht. Es wird immer schlimmer und Elisabeth wird krank, sehr krank.

Wie soll es nur weitergehen mit ihr? Wieder munkeln die Leute im Schloss: „Elisabeth kann nur wieder gesund werden, wenn der jetzt sehr alt gewordene Herzog Georg nicht mehr regieren kann und der junge Herzog Johann an seine Stelle tritt. Aber es kommt ganz anders als von vielen erwartet: Der junge Herzog Johann wird krank und stirbt. Damit hat Elisabeth nun auch ihre letzte Stütze am Hof verloren. Mit erst 35 Jahren ist sie zur Witwe geworden und nun ganz allein der Feindschaft des alten Herzogs gegen sie ausgeliefert.

In seinem Regierungszimmer berät sich Georg mit seinen Ratgebern, wie es nun mit Elisabeth weitergehen soll. Auf dem Tisch liegt der Ehevertrag, der vor Elisabeths Hochzeit mit Johann abgeschlossen wurde. Dessen genaue Beachtung hat Elisabeth eingefordert. Einer der Berater liest vor: „Im Falle des Todes von Herzog Johann erhält seine Witwe ein eigenes Herrschaftsgebiet im Herzogtum Sachsen, nämlich das Schloss Rochlitz mit umliegenden Orten“. „Was bedeutet eigenes Herrschaftsgebiet genau?“ fragt Georg. „Ich bin doch immer noch Herzog in meinem ganzen Herzogtum“. Der Berater antwortet: „In ihrem eigenen Bereich kann Elisabeth uneingeschränkt regieren“. Georg braust auf: „Dann kann sie dort wohl die Reformation einführen?“ Der Berater nickt zustimmend. „Nie und nimmer soll das geschehen“, ruft Georg und schlägt mit der Hand auf den Tisch.

Weil er sich weigert, geltendes Recht anzuerkennen, kann Elisabeths Bruder Philipp eingreifen. Er hat viele Fürsten rasch auf seiner Seite. Zusammen zwingen sie Herzog Georg, seine vertraglichen Verpflichtungen einzuhalten. Und sie haben dabei Erfolg. Bald darauf verlässt Elisabeth mit einigen Dienerinnen und Wagen mit ihrem Gepäck Dresden, um im Schloss Rochlitz ihr neues Zuhause zu finden. Für sie beginnt hier ein neues Leben. Auf sie warten glückliche Jahre. Die Aussicht, hier in Rochlitz neu anzufangen, hat sie wieder gesund werden lassen.

Gesprächsanregungen

  • Elisabeth hat ihrem Ehemann Johann in wenigen Sätzen erklärt, was ihr das Wichtigste an ihrem Glauben ist. An was erinnerst du dich?
  • Was ist dir an deinem Glauben am wichtigsten?
  • Elisabeth ha ihrem Mann erklärt, was für sie Aufgabe der Kirche ist. An was kannst du dich erinnern? Wie denkst du dazu?
  • Lange hat Elisabeth versucht, sich mit ihrer eigenen Glaubensüberzeugung zurückzuhalten, um Herzog Georg nicht zu reizen und wütend zu machen. Aber dann hat sie sich offen dazu bekannt – mit unangenehmen Folgen für sie. War es deiner Meinung nach richtig, diesen Schritt zu gehen?
  • Im Dresdner Schloss ist Elisabeth krank geworden. Was alles könnte zu dieser Erkrankung beigetragen haben?

 

Erzählung – Teil 3: Elisabeth führt in Rochlitz die Reformation ein

Erst vor wenigen Wochen ist Elisabeth in das Schloss Rochlitz eingezogen. Es gibt noch viel zu tun, bis dort alles am richtigen Platz ist. Die Dienerinnen und Diener lernen ihre neuen Aufgaben kennen und finden sich erst nach und nach mit ihnen zurecht. Doch Elisabeth steckt voller Tatendrang. Möglichst bald soll in allen Kirchen ihres neuen Herrschaftsgebiets die frohe Botschaft des Evangeliums zu hören sein. Viel zu lange hat sie das in Dresden vermisst. Zu lange war das Dresdner Schloss für sie wie ein Gefängnis gewesen, bewacht von vielen misstrauischen Augen.

Diese Erfahrungen will sie hinter sich lassen. Deshalb plant sie Besuche in den Ortschaften, deren Herrscherin sie nun ist. Für heute hat sie sich zu einem Besuch beim Bürgermeister von Mittweida angemeldet. Der freut sich über das Erscheinen seiner neuen Fürstin und erzählt ihr bei einem Rundgang durch die Stadt von den Anfängen der Reformation, die es auch hier gab. „Schon vor fast 15 Jahren waren hier evangelische Prediger“, beginnt er. „Sie fanden Anklang bei den Bürgern. Das wollte Herzog Georg verhindern. Deshalb schickte er einen wortgewandten Prediger hierher, der mit scharfen Worten die neue Lehre angriff. Aber der hatte keinen besonderen Erfolg damit. Daraufhin wurden evangelische Predigten grundsätzlich verboten. Leute, die auf sie nicht verzichten wollten, mussten hinüber ins andere Sachsen reisen, in dem die Reformation schon vor etlichen Jahren eingeführt worden war“. Elisabeth antwortet: „Das wird jetzt anders werden. Menschen, die um ihres Glaubens willen vertrieben wurden, können ohne Furcht zurückkommen“.

Nach Hause zurückgekehrt, macht sie sich gleich an die Arbeit und schreibt einen Brief an den Vetter Johann Friedrich im anderen Sachsen. Sie bittet ihn, evangelische Prediger in die Rochlitzer Pfarreien zu entsenden. Was damals vor vielen Jahren hier angefangen hat, soll nun zu einem guten Ziel kommen. Als schon bald in Mittweida wieder die erste evangelische Predigt zu hören ist, nimmt sie selbst an diesem Festgottesdienst teil. Sie verspricht den Leuten, dass es zügig weitergehen wird mit den Predigern, die Johann Friedrich gerne zu ihr auf den Weg schickt.

Doch da meldet sich bei ihr ein Abgesandter der Bischöfe von Meißen und Merseburg an und legt ein Schreiben vor. „Das Recht, Pfarr- und Predigerstellen einzurichten und sie geeigneten Personen zu übertragen, das haben eindeutig und ausschließlich die Bischöfe“, steht da. „Herzog Georg hat das nachdrücklich bestätigt“. Elisabeth nimmt das Schreiben zur Kenntnis und schickt den Boten wieder weg. Aber das Problem ist damit nicht gelöst. Einen Verstoß gegen geltendes Recht will sie unbedingt vermeiden. Denn Georg soll keinen Grund finden, ihr die Herrschaft über ihr Teilherzogtum wieder wegzunehmen.

Wieder sitzt sie an ihrem Schreibtisch und verfasst einen Brief, diesmal an ihren Bruder Philipp. Der ist doch der Sprecher der evangelischen Fürsten. Er hat selbst evangelische Prediger in Hessen berufen und weiß sicherlich guten Rat. Kurz darauf teilt er ihr mit, wie er ihr helfen wird. Er beauftragt nämlich seine Hofräte zu einer klugen und einleuchtenden Verteidigung seiner Schwester Elisabeth. Und wenig später trifft das wichtige Schreiben vom hessischen Fürstenhof ein. Es begründet Elisabeths Neuanfang mit reformatorischen Predigern mit klaren Regelungen, die inzwischen für das ganze deutsche Reich gelten. Erleichtert atmet Elisabeth auf.

Doch Georg lässt nicht locker. „Dieses Reichsrecht gilt nur für Männer“, schreibt er. „Denn indem es den evangelischen Fürsten die bisherigen Aufgaben der Bischöfe überträgt, kann das nicht für Frauen gelten. Denn Frauen können keine Pfarrer und schon gar keine Bischöfe sein“. Erneut droht ihr Georg, jede Möglichkeit zu nutzen, um die begonnene Reformation in ihrer Rochlitzer Herrschaft wieder zu beenden.

Elisabeth schreibt einen weiteren Brief, diesmal an Herzog Georg selbst. Jetzt bezieht sie sich auf die Heilige Schrift als Grundlage für das Zusammenleben aller Christen. Sie schreibt mit den Worten der Bibel, dass Gott Männer und Frauen gleich geschaffen hat: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bild, zum Bilde Gottes schuf er ihn: und schuf sie als Mann und Frau“ (1. Mose 1,28). Sie bekommt in diesem Streit auch wieder Unterstützung von den Räten des hessischen Fürstenhofs.

Die Rochlitzer Briefboten haben viel zu tun in dieser Zeit. Hin und her gehen die Schreiben. Über einen bestimmten Vorwurf, den Georg ihr macht, muss sie gründlich nachdenken. Sie hat ja früher gegenüber ihrem Schwiegervater das Recht auf den eigenen Glauben behauptet. Gilt das auch jetzt noch, wenn nach ihrem Willen alles evangelisch werden soll? Nimmt sie damit ihren Bürgern nicht selbst das Recht auf den eigenen Glauben weg? Was ist mit denen, die aus eigener Entscheidung gerne am Bisherigen festhalten möchten? Wie gilt da die evangelische Freiheit für sie? Lange muss sie über diese Fragen nachdenken.

Ausführlich berät sie sich mit Pfarrer Anton Musas. Elisabeth hat ihn zum leitenden reformatorischen Pfarrer für ihr ganzes Herrschaftsgebiet berufen. Zusammen mit ihm kommt sie zu folgendem Ergebnis: Niemand darf zum Glauben gezwungen werden, auch nicht zum neuen, evangelischen Glauben. Niemand darf um seines Glaubens willen vertrieben werden. Auch Pfarrer des alten Glaubens dürfen bleiben, wenn sie sich an die Grundsätze der Glaubensfreiheit halten.

Elisabeth sagt dann noch zu Pfarrer Musas: „Mein Schwiegervater, Herzog Georg, glaubt nicht, dass man mit einer Glaubensfreiheit die Ordnung im Land bewahren kann. Ich will ihm das Gegenteil beweisen. Er soll sehen, wie aus der Rochlitzer Gegend ein blühendes Land wird. Gleich von morgen an will ich mich mit den Menschen beraten, was wir als Regierung dazu beitragen können. Wir brauchen gute Schulen für die Jugend, gute Heime für die Alten und Kranken. Wir brauchen gute Straßen für die Händler und den Transport ihrer Waren. Wir brauchen Mühlen, mit denen wir die Kraft des Windes und des Wassers nutzen können. Wir brauchen eine gute Verteilung der Nahrungsmittel, vor allem in Notzeiten, damit alle satt werden können. Denn nur so kann die gute Botschaft der Bibel zu einer guten Botschaft für das ganze Leben werden“.

Gesprächsanregungen

  • Beim Einführen der Reformation in Rochlitz und Umgebung hatte Elisabeth mit mancherlei Widerständen zu kämpfen. An welche kannst du dich erinnern? Wie hat sie diese Widerstände überwunden?
  • Elisabeth meinte, dass die Freiheit zum eigenen Glauben das gute Miteinander nicht stört. Wie denkst du dazu? Welche Beispiele aus deiner eigenen Erfahrung fallen dir dazu ein?
  • Für Elisabeth gehörte zur guten Botschaft des Evangeliums auch das Sorgen für andere, damit es allen möglichst gut geht. Warum wohl? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
  • Elisabeth hatte etliche Ideen, was für die Bewohner in ihrem Land hilfreich ist. An welche erinnerst du dich? Welche erscheinen dir besonders wichtig? Welche wären das heutzutage?

Literaturhinweis

Simona Schellenberger u.a. (Hg): Eine starke Frauengeschichte. 500 Jahre Reformation. Ausstellungskatalog Rochlitz. Sax Verlag Beucha, Markkleeberg 2014.
 

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