Samuel hört in der Stille Gott  (1.Samuel 3)


Ziele:

  • wahrnehmen, wie in der Stille im eigenen Inneren wichtige Botschaften Raum gewinnen können
  • nachdenken, was mit dem Hören nach außen und nach innen gemeint sein könnte
  • ahnen, wie Menschen in solchem Hören nach innen Botschaften von Gott wahrnehmen

Vorüberlegungen

Die Zeit, in der Israel durch Könige regiert wurde, ist auch die Zeit der Propheten, d.h. der von Gott berufenen Boten. Sie wirkten als Sprachrohr Gottes, verkündeten Gottes Willen, begleiteten als kritische Instanz die Aktivitäten der Könige. In dieser Weise hat Samuel die Wahl Sauls als ersten König Israels in die Wege geleitet und auch David zum König gesalbt.

Die folgende Erzählung gilt den Anfängen Samuels. Er war im Tempel von Rama dem Priester Eli als Diener zugeordnet ist, nachdem seine Mutter Hanna ihn Gott für diesen Dienst geweiht hatte. In der Stille der Nacht wurde er von Gott zu seinem bedeutenden Prophetenamt berufen.

Auf solch eine Berufung kann jeder Prophet verweisen, von dem im Alten Testament ausführlich berichtet wird. Von besonders eindrücklichen Visionen berichten die Propheten, deren Schriften im Buch der Propheten gesammelt sind. Prophetenberufungen sind geheimnisvoll, denn wie Gott zu Menschen sprach und spricht, das entzieht sich objektiv nachprüfbarer Beschreibung. Deshalb ist auch bis in die Gegenwart hinein die Gefahr groß, dass Menschen behaupten, im Namen Gottes zu sprechen, um mit dieser Autorität Macht über andere auszuüben und sie zu manipulieren. Dieser kritische Aspekt wird in dieser Erzählung allerdings nicht thematisiert.

Zugang zum geheimnisvollen Geschehen des Sprechens Gottes sucht der folgende Erzählvorschlag mit Erfahrungen der Stille, in der Menschen zu sich selbst finden und dabei Gedanken Raum geben, die im Alltagsgeschehen eher beiseite gedrängt werden. Da können wichtige Einsichten Gestalt gewinnen, Entscheidungen reifen, sich Perspektiven auftun. Inwieweit darin Gottes Stimme und Weisung gehört wird, muss jeder einzelne für sich beantworten.

Der Erzählvorschlag konzentriert sich auf Samuels Erlebnis, wie Gott zu ihm spricht. Alle anderen Inhalte des biblischen Textes werden deswegen ausgeklammert. Der Leitfaden dieser Erzählung regt auch zum Nachdenken an, wie Gott für Menschen vernehmbar ist und welche Bedeutung dabei der Stille zukommt. Es geht auch um die Wertschätzung, die Samuel mit dieser Berufung zum Gottesboten erlebt.

 

Erzählvorschlag

Mitten in der Nacht ist Samuel aufgewacht. Hat da nicht jemand nach ihm gerufen? Bevor Samuel eine Antwort weiß, muss er sich erst zurechtfinden. Warm leuchtet der Lichtschein der Öllampe. Beruhigt stellt er fest, dass er an seinem Lieblingsplatz liegt - an seinem Schlafplatz im Tempel, dem Haus Gottes. Wozu andere oft lange und mühsame Reisen auf sich nehmen, um wenigsten einen Tag lang an diesem Ort zu sein, da ist er zuhause, das ist seine Heimat geworden, da fühlt er sich wohl.

Samuel horcht in die Stille hinein, die ihn umgibt. Leise Geräusche nimmt er wahr, die er gut kennt. Dort drüben, im anderen Raum, schläft Eli, der Priester. In dessen Nähe ist er gerne. Samuel erinnert sich an den gestrigen Tag. Eine große Schar Pilger ist zum Tempel gekommen, um zu beten und Opfergaben zu bringen. Eli hat sie am Eingang willkommen geheißen, und ehrfurchtsvoll haben die Pilger auch Eli begrüßt. Samuel stand neben Eli als sein Schüler. Und in manchen Blicken der angekommenen Pilger, die auf ihn gerichtet waren, hat er Staunen und Verwunderung gespürt: Wer ist das, der zusammen mit dem Priester in diesem Haus wohnen darf? Auch Eli hat ihn zufrieden angesehen und den anderen erklärt: „Das ist Samuel, mein junger Mitarbeiter, mit dem ich gut zusammenarbeite“.

Jetzt ist Samuel mit seinen Gedanken wieder hier an seinem Schlafplatz und mitten in der Nacht. Hat Eli vorhin nach ihm gerufen, so wie er es am Tag von ihm gewöhnt ist? Wieder horcht Samuel in die Stille. Dann steht er auf, geht hinüber zu Eli und ruft leise seinen Namen. Eli schlägt die Augen auf und fragt: „Samuel, was ist?“ und Samuel antwortet: „Eli, hast du nach mir gerufen?“ „Nein“, antwortet der. „Du hast wohl nur geträumt, vielleicht wie ich gestern beim Besuch der Pilger öfters nach dir gerufen habe, um mir zu helfen. Manchmal klingen einem solche Worte noch im Schlaf nach. Leg dich nur wieder hin“. Ja, so wird es wohl sein, denkt sich Samuel. Die kleine Unruhe, die in ihm war, ist wieder vorbei. Die Stille umfängt ihn wie eine wärmende Decke, und gleich darauf schläft er erneut ein.

Doch dann wacht er wieder auf. Wieder dasselbe. Wieder ist es Samuel, als ob ihn jemand gerufen hätte. Und wieder horcht Samuel in die angenehme Stille hinein, horcht gespannt und schaut auf den ihm so vertrauten Lichtschein. Und wieder geht er zu Eli. Samuel weiß, dass der es ihm nicht übel nimmt, wenn er ihn schon wieder aufweckt. Samuel braucht seine beruhigende Stimme, damit er wieder gut einschlafen kann. Jetzt sagt Eli zu ihm: „Ich habe dich nicht gerufen, und sonst ist ja niemand da“. Und dann fügt er noch hinzu: „Manchmal höre ich in der Stille der Nacht etwas, und ich weiß gar nicht, ob es von außen oder von innen zu mir kommt. Dann horche ich aufmerksam nach außen und nach innen. Manchmal weiß ich dann, dass Gott zu mir spricht und mir etwas Wichtiges sagen möchte. Schlaf jetzt wieder ruhig ein, aber wenn du wieder meinst, dass du gerufen wirst, dann horch aufmerksam nach außen und nach innen, dann mag es wohl Gottes Stimme sein!“

Samuel legt sich erneut auf seine Matte, horcht noch einmal in die Stille, schläft ein – bis er dann zum dritten Mal in dieser Nacht aufwacht. Und jetzt horcht er so, wie es Eli ihm gesagt hat, aufmerksam nach außen und ganz besonders nach innen und murmelt leise vor sich hin: „Mein Gott, rede, ich höre!“ Und so vernimmt er, was Gott ihm zu sagen hat: „Samuel, du wirst mein Bote werden. Durch dich und mit deiner Stimme werde ich zu den Leuten reden. Du wirst sie in meinem Namen zurechtweisen und ihnen gute Botschaften verkünden. Sie werden auf dich hören, so wie du auf mich hörst!“

Jetzt ist Samuel ganz wach. Jetzt ist es auch gut, dass ihn in der Stille dieser Nacht nichts ablenkt von seinen Gedanken. Leise, fast unhörbar betet er zu Gott: „Gott, ich danke dir, dass ich dich hören kann. Ich danke dir, dass du mich für eine so große und wichtige Aufgabe auserwählt hast, dass du mir das zutraust. Führe mich auf dem Weg, der jetzt beginnt“.

Und nun träumt er in die Stille hinein Bilder von dem, was bald sein wird, von seinen kommenden Aufgaben als Bote Gottes. Jetzt muss er Eli nicht mehr wecken.

Am nächsten Morgen erzählt er ihm alles. Eli meint: „Du hast eine wichtige Aufgabe vor dir, und Gottes Kraft wird dich begleiten. Du wirst mehr als alle anderen Gottes Stimme hören können. Und du wirst uns allen helfen, das gut zu verstehen, was Gott uns sagen möchte“.


Gesprächsimpulse

  • Wo erlebst du Stille, die wie eine wärmende Decke ist?
  • Was ist für dich der Unterschied zwischen einer Stille, die Angst macht und einer Stille, die dich beruhigt?
  • Kannst du dir vorstellen, wie man nach außen und nach innen hören kann?
  • Hast du schon erlebt, wie in der Stille Bilder und Gedanken in dir lebendig werden? Erzähle davon!
  • Manche Geschichten in der Bibel erzählen davon, wie Gott in der Stille zu Menschen gesprochen hat. Gibt es das heute auch noch? Was meinst du?
  • Das, was Samuel am Tag vorher und in der Nacht erlebt hat, war für ihn sehr wichtig. Was meinst du, warum?

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