Ziele

  • in einer Erzählung mitverfolgen, wie unversöhnlich erscheinender Hass durch Freundlichkeit seine Kraft verliert  
  • sich mögliche Wirkungen von Freundlichkeit bewusst machen

 

Erzählanregung

Rufus ist römischer Soldat. Mit seinem Helm, Schutzpanzer und seiner Lanze stapft er missmutig auf seinem Weg in der Nähe der Hauptstadt Jerusalem dahin. Sein Auftrag ist es, genau aufzupassen, ob sich irgendwo bewaffnete Gegner zusammentun, um römische Soldaten wie ihn anzugreifen. Sein Auftrag ist gefährlich, immer wieder wird einer seiner Mitsoldaten überfallen. Außerdem ist es heiß und seine Rüstung drückt schwer auf seinen Schultern. „Warum nur muss ich bei dieser blöden Stadt und in diesem blöden Land meinen Dienst tun?“ so schimpft er vor sich hin. Er ärgert sich über seine Vorgesetzten, die ihn weit weg von seiner Heimat an diesen Ort im Land der Juden geschickt haben. Er ärgert sich über die jüdischen Männer, auf die er genau achten muss, ob sie nichts Böses gegen ihn und seine Leute im Sinn haben. Er ärgert sich über die Hitze. Er ärgert sich über die Juden, die ihm aus dem Weg gehen, damit er nicht mit ihnen streiten kann. Er ärgert sich einfach über alles. Er hat große Lust, an irgendjemand seinen Missmut und seine Unzufriedenheit auszulassen.

Und da findet er auch schon einen. Ein jüdischer Mann kommt ihm entgegen, und der kann ihm nicht mehr ausweichen. „Halt“, raunzt er ihn an. „Ich befehle dir jetzt, eine Meile mit mir zu gehen und meine Rüstung zu tragen!“ Und er freut sich insgeheim, dass der andere nun mit ihm in die Richtung zurückgehen muss, aus der er hergekommen ist. Er freut sich auch daran, wie der andere vor Wut sein Gesicht verzieht, sich aber nichts zu sagen traut. Denn er als römischer Soldat hat das Recht, so etwas von anderen zu verlangen.

Grimmig und missmutig gehen nun beide weiter. Rufus ist immer noch ärgerlich über alles und lässt das auch den anderen spüren. Und der starrt missmutig vor sich hin. Jeder von beiden spürt die Feindschaft des anderen. Kein gutes Wort fällt da zwischen den beiden. Wie sollte es auch anders sein? Nach der gegangenen Meile übergibt der andere wortlos die schweren Sachen an Rufus zurück und verschwindet schnell. Rufus ärgert sich weiter über alles, und der andere ärgert sich wohl auch, weil er den ganzen Weg wieder zurücklaufen muss.

Am nächsten Tag ist es zuerst genauso. Wieder begegnet Rufus einem jüdischen Mann, der ihm nicht ausweichen kann. Aber mit dem ist es irgendwie anders. Der hat kein wutverzerrtes Gesicht, sondern schaut ihn freundlich an. Das verwundert Rufus und er fragt ihn: „Warum lächelst du mir zu? Macht es dir nichts aus, eine Meile lang in meine Richtung zu gehen und mein Soldatengepäck zu tragen?“ Der andere antwortet: „Ich kann ja doch nichts dagegen tun, warum sollte ich mich da über dich ärgern? Du hältst dich an deine Regeln und ich mich auch.“ Und so gehen die beiden miteinander. Rufus muss sich immer mehr darüber wundern, dass der andere ihm keinen bösen Blick zuwirft.

Die größte Überraschung aber erwartet Rufus am Ende der Meile, die der andere mit ihm zu gehen hatte. Der andere geht einfach mit ihm weiter. „Warum tust du das?“ fragt Rufus ihn und ist jetzt ganz verunsichert. Und der antwortet: „Du bist ein Mensch wie ich auch. Ich denke, wir könnten uns ein bisschen verstehen. Und deshalb gehe ich freiwillig mit dir weiter.“ Jetzt wird Rufus richtig neugierig und möchte von dem anderen erfahren, warum er sich so anders verhält als alle anderen. „Ärger und Wut aufeinander führen nicht weiter“, sagt der. „Aber mit ein bisschen Freundlichkeit werden gemeinsame Wege schöner für beide.“ Da muss Rufus lächeln. Denn es stimmt, so hat er es ja gerade mit diesem Fremden erlebt.

Und jetzt kommen die beiden sogar ins Gespräch miteinander. Rufus sagt: „Und du meinst wirklich, dass zwischen Römern und Juden Freundlichkeit möglich ist?“ Der andere nickt und antwortet: „Deshalb gehe ich ja mit dir freiwillig eine zweite Meile mit! Mit Freundlichkeit können wir viel besser unser Leben ertragen.“ Jetzt nickt auch Rufus und fragt dann den anderen: „Wie sieht eigentlich dein Leben aus? Ich weiß viel zu wenig von euch Juden. Ich rede sonst ja nur mit den anderen römischen Soldaten.“ Der andere beginnt zu erzählen, und auch Rufus erzählt von sich. Er möchte es kaum zugeben, aber dieser Weg mit dem fremden jüdischen Mann ist der angenehmste seit Langem.

Dann sagt der andere: „ Jetzt muss ich wirklich umkehren, damit ich noch vor Einbruch der Dunkelheit mein Ziel erreiche.“ Sie verabschieden sich voneinander, und dann sagt Rufus noch, ohne dass er es sich wirklich überlegt hat: „Wenn es alle so machen würden wie du, dann gäbe es vielleicht viel weniger Ärger und Streit unter den Menschen“. Rufus geht jetzt alleine weiter, aber er muss noch lange an diesen sonderbaren Begleiter denken, der so ganz anders war als alle anderen, die er vorher erlebt hatte.

 

 

Gesprächsimpulse

  • Kennst du das auch, dass man sich über alles Mögliche ärgert, seinen Ärger an anderen auslässt und der Ärger dabei immer schlimmer wird?
  • Wie hat es der seltsame Fremde wohl geschafft, den Ärger des Rufus in ein bisschen Freundlichkeit zu verwandeln? Woran kannst du dich da in der Erzählung erinnern?
  • Warum wohl hat der jüdische Mann vorgeschlagen, freiwillig eine zweite Meile mit Rufus zu gehen?
  • An welcher Stelle der Geschichte war deiner Meinung nach bei Rufus die Veränderung vom Ärger zur Freundlichkeit?

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