Erzählvorschlag zu: Ein Ausländer erfährt freundliche Aufnahme -
Der Kämmerer aus Äthiopien (Apostelgeschichte 8,26-39)

Weit vor den Toren der Stadt Jerusalem, auf einer staubigen Straße ohne Bäume, fährt mitten in der größten Mittagshitze eine Kutsche. Es ist ein vornehmes Gefährt. Das Wageninnere ist angenehm gepolstert, das Dach gibt einigermaßen Schatten. Wer genauer hinsieht, kann erkennen, dass die Kutsche mit dem Staatswappen eines afrikanischen Königreichs geschmückt ist. Offenbar ist sie für einen hohen Würdenträger bestimmt. Ein Mann mit schwarzer Hautfarbe sitzt in der Kutsche. An seiner Kleidung kann man erkennen, dass es eine sehr vornehme Person ist. Es ist der Finanzminister der äthiopischen Königin, eine der wichtigsten Personen im Staat. Der Mann liest aufmerksam in einer Schriftrolle, aber er macht kein glückliches Gesicht. Er schüttelt vielmehr den Kopf, legt die Rolle weg und seufzt. „Jetzt habe ich so eine weite Reise gemacht nach Jerusalem, um mehr von dem Gott zu erfahren, von dem ich schon zu Hause gehört habe! Seit Jahren schon interessiere ich mich dafür, und endlich habe ich Zeit genug gehabt, um nach Jerusalem zu reisen.“ So redet er halb-laut vor sich hin. „Und“, sagt er weiter, „was habe ich davon? Nichts!“

Man sieht, wie in ihm Erinnerungen hochsteigen. „Wie habe ich mich gefreut, als ich den Tempel vor mir sah und den Schmuck seiner mächtigen Wände, der in der Sonne leuchtete. Ich habe mich so darauf gefreut, gemeinsam mit den anderen zusam-men Gottesdienst zu feiern und zu diesem Gott zu beten, aber nichts war es! Man hat mir ja gleich angesehen, dass ich Ausländer bin – und der Minister einer fremden Königin noch dazu. Zutritt verboten, hieß es, kein Zugang für Mitglieder einer anderen Religion. Wenigstens konnte ich mir ein paar Schriftrollen kaufen, um mehr von diesem Gott zu erfahren, so dachte ich es mir. Am Geld fehlt es mir ja zum Glück nicht. Aber jetzt plage ich mich schon stundenlang mit diesen Sätzen herum!“ Er nimmt die Rolle wieder in die Hand, hebt sie hoch - und lässt sie gleich wieder sinken. „Kein Wort verstehe ich. Was ist bloß gemeint mit diesen Sätzen? Ich kenne doch die hebräische Sprache ganz gut und verstehe doch kein Wort!“ Laut liest er vor: „Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.“ Er schüttelt wieder den Kopf. „Was soll das bloß heißen? Das habe ich also jetzt von dieser Reise, auf die ich mich so lange gefreut hatte. Schlechte Erinnerungen und Schriftrollen, die ich nicht verstehe. Ich fahre wieder nach Hause zurück und habe nichts Neues über diesen Gott erfahren. Und niemand kann mir zu Hause etwas von ihm erzählen. Mit diesem Gott und den Menschen, die an ihn glauben, habe ich leider keine Freundschaft schließen können.“ Traurig seufzt er und liest noch einmal laut aus der Schriftrolle.

Als er wieder den Kopf hebt, sieht er auf einmal einen Mann neben seiner Kutsche hergehen. Der grüßt ihn freundlich und fragt: „Verstehst du auch, was du liest? Kommst du zurecht mit deinen Schriftrollen?“ – „Kein Wort verstehe ich“, seufzt der Minister. Und dann fragt er auf einmal: „Kannst du mir vielleicht etwas erklären?“ Der Fremde nickt, und sofort lässt der Minister die Kutsche anhalten und den Gast aufsteigen. „Ich bin Philippus“, sagt der, „ich kann dir schon sagen, wer mit dem Lamm gemeint ist. „Jetzt bin ich aber neugierig“, antwortet der Minister, und seine schlechte Laune scheint verflogen zu sein. Philippus fängt an, von Jesus zu erzählen. „Er hat sich um Menschen gekümmert, von denen die anderen nichts wissen wollten, weil sie krank oder behindert und vom Gottesdienst ausgeschlossen waren. Jesus sagte ihnen, dass Gott gerade für sie da ist, und er machte sie wieder froh.“ Jetzt ist der Minister hellhörig. „Erzähl weiter“, drängt er, „dieser Mann interessiert mich!“ Und der denkt für sich. „Mir geht es doch genauso. Ob der auch mich hätte froh machen können?“

„Als er verurteilt wurde und am Kreuz starb“, fährt Philippus fort, „war für uns alles aus.“ Enttäuscht lässt der Schwarze den Arm sinken. Aber der Gast erzählt zum Glück weiter. „Bald darauf erschien er uns und sagte: Ich bin lebendig bei Gott. Ihr könnt mich nun nicht mehr sehen, aber ihr sollt wissen, dass ich bei euch bin. Alles, was ich gesagt und getan habe, ist nicht zu Ende und nicht verloren. Es gilt, und ihr sollte es weitersagen.“ Jetzt ist der Minister sehr gespannt und beugt sich zu Philippus: „Und, wie geht die Geschichte weiter?“ – „Zuerst waren wir ganz verzagt“, sagt der, „aber dann geschah etwas Großartiges. Wir spürten auf einmal Gottes guten Geist in uns. Es war wie Feuer, das in uns zu brennen anfing, wie ein frischer Wind, der uns in Schwung brachte. Menschen kamen zu uns ins Haus, die wir nie vorher gesehen hatten, Ausländer aus allen möglichen Ländern. Sie hörten zu und sagten: Was Jesus gesagt und getan hat, das ist auch für uns wichtig, das soll auch für uns gelten! Auch wir wollen darauf vertrauen, dass Gott uns liebt, und dass der aufer-standene Jesus bei uns ist, überall, wo wir auch sind.“ Der Minister ist nun ganz auf-geregt. „Das ist ja genau das, was ich gesucht habe! Ich möchte doch auch zu die-sem Gott gehören, so wie es Jesus gesagt hat!“ Aber dann hebt er traurig die Hand. „Ach, wenn ich doch bei diesem Fest dabei gewesen wäre, wenn ich doch auch ein bisschen abbekommen hätte!“ Philippus nickt nur kurz und erzählt gleich weiter: „Und dann haben wir diese Menschen getauft auf den Namen Gottes und den Namen Je-su Christi und den Namen des Heiligen Geistes.“

„Was ist das mit der Taufe?“ fragt der Afrikaner weiter und Philippus erklärt: „Wir führen den Täufling zum Wasser, lassen ihn untertauchen und wieder auftauchen und sprechen: So wie du im Wasser untergegangen bist, so soll all das weggeschwemmt sein, was dich bekümmert und kränkt und was dich von Gott und Jesus Christus trennt. Die Angst soll verschwinden, die du vor dem Dunklen in deinem Leben und in unserer Welt hast. Du sollst auftauchen als ein neuer Mensch, der zu Gott gehört und zu Jesus Christus. Du wirst spüren, dass Gott die so sehr lieb hat, wie gute Eltern ihre Kinder mögen, und du kannst diese Liebe auch an andere weitergeben. Du ge-hörst jetzt zu all denen, die an die gute Botschaft von Jesus Christus glauben. Gottes guter Geist wird auch bei dir sein. Er soll wie ein Licht sein, das dein Leben hell macht. Und dann legen wir ihm die Hände auf den Kopf und segnen ihn: Gott bleibe bei dir mit seinem Schutz und mit seiner Gnade. Friede sei mit dir!“ Da unterbricht ihn der Minister: „Das heißt also, dass auch jetzt noch Menschen zu Jesus dazugehören können und dass auch für sie gilt, was du gerade gesagt hast!“ – „Natürlich“, antwor-tet Philippus, „genauso ist es!“

Jetzt hält es den Minister nicht länger auf seinem Platz. „Kann ich nicht auch getauft werden?“ fragt er. Er wartet gar nicht die Antwort ab, sondern sagt weiter: „Schau, da ist ein Bach. Taufe mich!“ Die Kutsche hält an, beide steigen zum Bach hinunter, und Philippus tauft den Minister aus Afrika, so wie er es ihm vorher beschrieben hatte. „Nimm das Zeichen der Taufe mit auf deinen Weg! Was wir am Pfingstfest erlebt haben, das gilt auch für dich! Gottes guter Geist ist auch bei dir!“ Glücklich kehrt der Afrikaner zu seiner Kutsche zurück. Er fährt jetzt alleine weiter. Aber er fühlt sich gar nicht einsam: „Jetzt weiß ich, dass ich mit vielen, vielen anderen Menschen auch zu Jesus Christus gehöre. An das Zeichen der Taufe kann ich mich immer erinnern. Auch wenn ich in Äthiopien und weit weg von Jesus und den Jesus-Freunden bin. Gut, dass es die Taufe gibt!“ Fröhlich sitzt er in seiner Kutsche.
 

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