Mit religiöser Vielfalt umgehen

Für Eltern, vor allem für nicht christliche Eltern, sind deutliche Hinweise wichtig, dass das in den eigenen Familien Praktizierte und die religiöse Erziehung im Familienzentrum in keinem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen: Kinder sollen auf keinen Fall ihren häuslichen religiösen Wurzeln entfremdet werden; mit dem Angebot religiöser Erziehung im Familienzentrum sollen die Eltern keinesfalls überrumpelt werden.

Im Anmeldegespräch gilt es deshalb aufmerksam wahrzunehmen, ob und inwiefern bei Eltern solche Befürchtungen vorhanden sind und worauf sie sich beziehen. Das gilt etwa für Eltern, denen beispielsweise die Mitwirkung ihres Kindes in einem Gottesdienst in diesem Sinne zu weit geht, oder die gar die Forderung stellen, auf religiöse Erziehung ganz zu verzichten. Für Klarheit bzw. Klärung kann ein Gespräch über das Konzept religiöser Erziehung im Blick auf die gegebene religiöse Vielfalt in unserer Gesellschaft bringen, die sich auch im Familienzentrum spiegelt. Dabei gilt es manches zu bedenken.

Den Zusammenhang von Vergewisserung in christlicher Tradition mit dem Respekt und der Offenheit für andere religiöse Orientierungen verdeutlichen

Kinder können mit religiöser Verschiedenheit oft besser umgehen, als wir Erwachsenen es meinen. Wichtig ist, dass sie unterschiedliche Einstellungen sicher den betreffenden Personen zuordnen können. Das gilt für solche Unterschiede zwischen Elternhaus und dem Besuch bei den Großeltern genauso wie bei Eltern mit unterschiedlichen Konfessions- oder Religionszugehörigkeit. Das Recht der Eltern ist es, die Rolle zu bestimmen, in der ihre Kinder an religiösen Angeboten im evangelischen Familienzentrum teilnehmen: 

-    In der Rolle einer gewünschten Zugehörigkeit, die Eltern durchaus begrüßen, 
     die sie aber selbst nicht leisten können oder wollen;

-          In der Rolle einer möglichen Zugehörigkeit, in der Kinder Neuem begegnen, das sie von zuhause aus nicht kennen und das zu ihrem Eigenen werden darf, wenn sie es möchten. Die entsprechende Elternrolle ist interessiertes, evtl. auch distanziertes Anteilnehmen an dem, was Kinder an Erfahrungen mit nach Hause bringen;

-          Lehnen Eltern die Zugehörigkeit zum christlichen Glauben ab, weil sie sich selbst vom christlichen Glauben verabschiedet haben oder einer anderen Religion zugehören und dies auch für ihre Kinder gelten soll, dann bietet sich für sie bei christlichen Vollzügen die Rolle des dabei Seins an etwas an, das nicht ihr Eigenes sein bzw. werden soll, gewissermaßen in einer Gastrolle.

Zu dieser Rolle nun noch einige Anmerkungen:
Mit Angehörigen anderer Religionen kann ein Miteinander gelebt werden, in dem ohne Wertungen, ohne ausgrenzende Untertöne immer wieder auch das Anderssein zu Wort kommt: in der Orientierung an anderen Heiligen Schriften, der Feier in einem anderen Gotteshaus, einem anderen Festkalender, anderen Gebetshaltungen, anderen verpflichtenden Regeln, z.B. beim Essen, anderer Kleidung, anderen Liedern, Geschichten, Gebeten. Eltern sollten wissen, dass dieses Anderssein, z.B. bei muslimischen Kindern als etwas bereicherndes, Interessantes, Neugierde Weckendes zur Sprache kommt, die Rolle dieses zu Gast Seins bei christlichen Vollzügen nicht negativ, als etwas Defizitäres oder Ausgrenzendes begegnet, sondern positiv und bereichern als etwas, das religiöse Vielfalt und Verschiedenheit in den Erfahrungshorizont rückt.

Umgekehrt sind damit auch die Eltern angesprochen, etwas von ihrem religiösen Anderssein zu zeigen, in Gegenständen und Symbolen, vielleicht auch in Einladungen zum Besuch in ihrer „Kirche“, so dass dabei auch die christlichen Kinder die Rolle des religiösen Gaststatus erleben und praktizieren können.  Ist religiöse Zugehörigkeit der Eltern und ihrer Kinder nur durch bloße Ablehnung des Christlichen bestimmt, ist es sicherlich schwieriger, solches Anderssein anschaulich werden zu lassen. Dann muss es wohl bei der je nach Bedarf bestätigten Vergewisserung bleiben, dass die Eltern für ihren Standpunkt ihre guten Gründe haben, dass unterschiedliche Bewertungen des christlichen Glaubens nebeneinander bestehen können. Zu solchem Respektieren gehört auch dazu, wenn Kinder z.B. an Gottesdiensten, bei Zeugen Jehovas etwa bei Geburtstagsfeiern oder Feiern zu den christlichen Festen nicht teilnehmen - umgekehrt auch das Verständnis der Eltern, dass religiöse Erziehung sich nicht auf solche abgrenzbaren religiösen Einheiten beschränkt, sondern den Alltag im Familienzentrum durchzieht mit Liedern, Geschichten, Gesprächen zum christlichen Glauben – weil Religion im Alltag gelebt sein will, weil religiöses Lernen durch eigene Erfahrungen im Umgang mit Religion in ihren vielfältigen Erscheinungsformen geschieht.

weiter: Religion mitten im Alltag
 
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