Beispiele zur Entwicklung von Gottesbildern der Kinder


Die folgenden Beispiele sollen keinesfalls Maßstäbe für „richtige“ bzw. altersgemäße Gottesvorstellungen der Kinder sein. Vielmehr sollen sie den Blick für grundsätzliche Herausforderungen schärfen, um mit diesem Blick die Kinderbilder noch besser ‚lesen‘ zu können und mit den Jungen und Mädchen gut ins Gespräch darüber zu kommen, welche Gedanken, Eindrücke, Überzeugungen sie zu ihren je eigenen Bildern angeregt haben.

Dominierend ist und bleibt Gottes Gesicht. Die Gottes-Gesichter-Bilder lassen erkennen, wie die Kinder entscheidende zwischenmenschliche Beziehungserfahrungen, die sich im freundlich zugewandten Gesicht visuell verdichten, auch auf Gott übertragen.
Der amerikanische Kinderpsychoanalytiker Robert Coles (in: „Wird Gott nass, wenn es regnet?“ dtv-Sachbuch, 1994,S.13) schreibt dazu: „Ich will Sein Gesicht malen“ – diesen Satz habe ich in vielen Sprachen gehört, von Kindern jeglicher christlicher Konfession, aber auch von Kindern, die eine religiöse Bindung weit von sich weisen. Im Gegensatz dazu stellten jüdische und mohammedanische Kinder sehr schnell klar, dass weder der Jehova der hebräischen Propheten noch Allah oder sein Prophet Mohammed bildlich dargestellt werden dürfen…. Ich habe 293 Kinderzeichnungen von Gott zusammengetragen, und alle bis auf 38 zeigen Sein Gesicht“.


Dazu kann ein langes Gewand kommen, evtl. mit Symbolen des Glaubens verziert. Diese Gestalt bekommt dann auch ein Zuhause, meist in einer Himmelswohnung in den Wolken. Zu deren Ausgestaltung greifen die Kinder auf ihre Eindrücke von dem zurück, was für sie Wohnen bedeutet: ein Wohnraum mit Tischen und Stühlen und was sonst noch zum Wohnen dazugehören mag.

Eigenschaften, die Gott zugeschrieben werden, werden auch ins Bild gesetzt: 

Kommentar des Kindes: Gott steht auf einer Wolke. Seine Füße sieht man nicht. Gott ist fröhlich. Gott hat starke Arme, weil er sie braucht.

 

Nach und nach wird den malenden Kindern bewusst, dass Gott anders ist als es unsere Menschenbilder von ihm zeigen. Das kann beim Gesicht anfangen: Gott muss viel größere Ohren als Menschenohren haben, damit er die vielen Gebete hören kann, auch ganz andere Hände, um das tun zu können, was Menschen unmöglich ist. So entstehen beispielsweise Bilder von Gott mit vielen Händen, auch mit großen oder sogar mehreren Füßen.

Zuweilen wird die Gestalt Gottes in eine Aura mit viel Sonnenlicht und Himmelsblau gehüllt – der konkrete Wolkenhimmel tritt zurück. Hier zeigt sich, wie Kinder in ihren Bildern darum kämpfen, wie das Nicht-Darstellbare an Gott mit Anleihen aus unserer Vorstellungswelt ins Bild gesetzt werden kann. Ein Grundschulkind malte einmal sein Bild mit bunten Wachsmalstiften, überzog das ganze Bild dann mit Deckweiß und kommentierte das etwa so: „Ich habe Gott gemalt, wie ich ihn mir vorstelle. Aber man kann ihn nicht sehen“.

 

Die Verbindung der Gottesbilder mit der realen Welt der Kinder stellt angesichts der zunehmenden naturwissenschaftlichen Kenntnisse im Grundschulalter und darüber hinaus vor immer neue Herausforderungen.

 

  • Da schwebt in einem Bild über der Erdkugel mit angedeuteten Pflanzen, Tieren, Menschen, Häusern etc. hoch oben das Bild vom bärtigen Gott in den Wolken.
  • Auf einem anderen Bild ist die Gottesgestalt in Umrissen zwischen den Planeten des Sonnensystems platziert.
  • In einem Bild sind die Dinge der Welt farbig ausgemalt, die Gottesgestalt ist aber nur skizzenhaft angedeutet.
  • Auf einem Bild schwebt in einer real dargestellten Naturlandschaft ein fein gezeichneter Windhauch, der in ein ebenso fein angedeutetes Gesicht mündet.
  • In immer wieder neuen Varianten tragen Kinder so auf Bildern ihre Vorstellungen vom unsichtbaren und andersartigen Gott in ihre Abbildungen der realen Umwelt hinein.

In und nach dem Grundschulalter tut sich die Tür zu symbolischen Darstellungen auf:

 

  • Auf einem Bild der realen Umwelt mittendrin ein Plakat mit dem Wort „Gott“.
  • Ein bunt leuchtender Schmetterling mit dem Kommentar: „Ich stelle mir Gott als Schmetterling vor, weil ein Schmetterling farbenprächtig ist, und das ist edel. Und Gott ist edel (w 11 Jahre).

Mit ihren Bildern von Gott schenken uns die Kinder Einblicke in ihre „spirituelle Wachheit“ (Coles). Schon früh wissen die Kinder um das Geheimnis der Nichtdarstellbarkeit Gottes. Dennoch suchen sie nach anschaulichen Möglichkeiten, Gott in eine Beziehung zu ihrer realen Lebenswelt zu bringen – in immer wieder neuen Anläufen und Versuchen.

(Aus urheberrechtlichen Gründen muss auf die Abbildung der angedeuteten Kinderbilder verzichtet werden. )

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