Vom barmherzigen Vater - Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15)

- Eigene Wege gehen
- Vertrauenserfahrungen
- Neu anfangen können

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn hat eine ähnliche Grundstruktur wie das vom verlorenen Schaf. Ein Sohn fordert von seinem Vater vorzeitig das ihm zustehende Erbe, weil er mit ihm Großes vorhat. Er will mit diesem Kapital Geschäfte machen. Zunächst investiert er großzügig in Kontakte, pflegt Bekanntschaften durch opulente Einladungen, genießt selbst das feine Leben in großen Zügen. Aber der Plan geht gründlich schief. Als das Geld aufgebraucht ist, sind auch die Freunde verschwun-den. Der Sohn sinkt tiefer als die einfachsten Landarbeiter und Tagelöhner seines Vaters. Er kann nur überleben, indem er seinen Hunger aus dem Trog der Schweine stillt – eine für jüdische Hörer grauenvolle Vorstellung. Die Rückkehr zu seinem Vater wird für ihn immer deutlicher zur einzig möglichen Zukunftsperspektive, auch wenn er auf alle seine Rechte als Sohn des Hauses verzichtet. Er bereitet sich schon in Gedanken darauf vor, wie er das seinem Vater sagen könnte, um dessen Zorn über das verlorene Geld zu dämpfen. Aber es kommt alles ganz anders: der Vater nimmt ihn mit überschwänglicher Freude auf – als seinen heimgekehrten Sohn.

Soweit ähnelt dieses Gleichnis dem vorangegangenen vom verlorenen Schaf und auch dessen Aussage über Gott. Dann aber kommt etwas Neues hinzu: Der zweite, ältere Sohn wirft dem Vater ungerechtes Verhalten vor. Denn er selbst hat sich müh-sam und redlich abgerackert und nie eine Belohnung bekommen, die dem inszenier-ten Rückkehr-Fest nahe käme. Das ist für ihn die Umkehr aller Vorstellungen von gerechter Behandlung. Dann aber wirbt der Vater bei ihm um Verständnis: „Die Rückkehr deines Bruders ist doch unvergleichbar mit dem Lohn für tägliche Arbeit! Dein Bruder hat alles gewagt und verloren. Und er hat bittere Erfahrungen damit ge-macht. Und doch ist er immer mein Sohn und dein Bruder geblieben. Wir beide wa-ren stets beisammen, aber er war fern von uns, wie tot, aber jetzt lebt er wieder, jetzt ist er wieder da. Ob der Vater seinen Ältesten überzeugen kann, bleibt offen und damit Gesprächsstoff für die Kinder.

Entgegen so manchen Nacherzählungen, die den Akzent auf Schuld und Vergebung richten, steht hier die Verlässlichkeit tragender Beziehungen im Vordergrund und mit ihr der Weg in die Selbständigkeit. Aus der Sicht der Kinder heißt das: sie brauchen viel Raum für eigene Erfahrungen, das Recht, Fehler machen zu dürfen, und die Gewissheit, dass Loslösung nicht Verlust der Beziehung bedeuten muss. Auch kleine Kinder ziehen schon ihre eigenen Kreise, suchen sich Freunde, die den Eltern gar nicht behagen, verfolgen eigenwillig ihre Ideen, riskieren Konflikte. Da brauchen sie starke Bilder dafür, dass das so in Ordnung ist und die tragenden, lebenswichtigen Beziehungen nicht gefährdet.

Auf Gott bezogen heißt dies, dass beide Aspekte auch für die Gottesbeziehung kennzeichnend sein sollen. Gott bietet Heimat in der Beziehung zu ihm an - und schenkt Freiheit zu eigenen Wegen, gibt viel Raum, diese Beziehung auf eigene Weise zu gestalten.
Das Gegenbild zum jüngeren Sohn ist der ältere Bruder – hier weniger als derjenige, der im Unterschied zum Vater die Vergebung verweigert, sondern der auf eigene Wege verzichtet, im Gewohnten verharrt, keine neuen Erfahrungen sucht. Ihm bleibt viel Aufregendes erspart, aber auch viel Interessantes verborgen. Im Erzählvorschlag ist er nur kurz angedeutet, kann auch ganz ausgeklammert bleiben.

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