Heiligengeschichten der Adventszeit 

Barbara im Turm (4. Dezember)

Ziel:

  • Den Gedenktag der hl. Barbara samt dem Brauch der Barbara-Zweige mit Legenden zu ihrem Leben in Verbindung bringen
  • ihr häufiges Heiligenattribut des Turms durch Überlieferungen aus ihrem Leben veranschaulichen
  • sich über Standhaftigkeit in schwierigen Situationen verständigen
  • Zugang zur Erfahrungswelt als hohes Gut schätzen lernen

Auf den ersten Blick erweist sich die Barbara-Legende kaum als eine Geschichte für Kinder. In deren Mittelpunkt steht ja das qualvolle Martyrium, die Bereitschaft, Standhaftigkeit im Glauben mit fürchterlichen Qualen und dem Leben zu bezahlen. Andererseits zählt die hl. Barbara zu den bekannten Heiligengestalten der Adventszeit. Ihr Name ist mit dem Brauch des Schneidens von Zweigen, die dann an Weihnachten zum Blühen kommen, verbunden. Außerdem bietet sich der Turm als Mittelpunkt einer Erzählung an, die sich der Auseinandersetzung mit dem strengen, unnachsichtigen Vater widmet. Obwohl das ja wohl eher ein Thema für Jugendliche wäre, die sich von Traditionen des Elternhauses abgrenzen und eigene Wege gehen, bietet es auch schon für Kinder manche Impulse für das Gespräch. Da geht es etwa um die Bedeutung der Neugierde und des Wissensdrangs für den Umgang mit der umgebenden Wirklichkeit. Soll und darf der eingeschränkt werden? Das Recht auf eine eigene Meinung fordern auch schon kleine Kinder ein, wobei hier die Tragweite eines Religionswechsels von den römischen Gottheiten zum christlichen Glauben noch ganz im Hintergrund bleibt. Wichtig – auch schon für die Kleinen – ist aber die Ehrlichkeit, das Einstehen für das eigene Tun, auch angesichts unliebsamer Konsequenzen.

Der Ausgang einer Märtyrergeschichte widerspricht den Anforderungen an eine Geschichte für Kinder, die ein gutes Ende verlangt. Deshalb bleibt es da bei einer Andeutung, die den Kindern die Möglichkeit offen lässt, selbst die Geschichte zu einem für sie erträglichen Ende zu führen.

 

Wenn in Kirchen Bilder oder Figuren von Heiligen zu sehen sind, dann ist oft auch die hl. Barbara dabei. Wie zahlreiche andere Heilige lebte sie vor vielen, vielen Jahren, als der Glaube an Jesus Christus den meisten Menschen noch unbekannt war. Um dargestellte Heilige besser voneinander unterscheiden zu können, halten sie oft etwas in der Hand, das an ihr Leben erinnert. Beim hl. Nikolaus sind es drei goldene Kugeln, mit denen er drei jungen Frauen in großer Not half. Bei Barbara ist es ein Turm. Was hat wohl ihr Leben mit einem Turm zu tun gehabt? Davon möchte ich euch heute erzählen.

 

Viele Wochen lang haben die Arbeiter auf dem großen Platz neben dem Wohnhaus genau nach den Ideen und Plänen von Barbaras Vater den Turm gebaut. Aufmerksam hat Barbara zugesehen, wie die Zimmer entstanden und wie sie immer schöner wurden. „Der Turm soll dein neues Zuhause sein“, hat der Vater gesagt. Da kannst du in aller Ruhe deine Bücher lesen und darüber nachdenken, was in ihnen steht. Niemand wird dich dabei stören!“

So angenehm die Zimmer in dem Turm mit gemütlichen Möbeln, farbigen Bildern und mit einem weiten Blick über das Land auch sind - Barbara kann sich über diesen Turm nicht freuen. Denn sie weiß genau, warum der Vater diesen Turm bauen ließ: Er will nicht, dass Barbara ohne seine Erlaubnis mit anderen Leuten spricht. Er will genau bestimmen, mit wem sich Barbara treffen darf und mit wem nicht. Der Turm hat nur eine Tür, und die hält der Vater streng bewacht.

Barbara weiß auch, warum das ihrem Vater so wichtig ist. Er hatte erfahren, dass sich Barbara mit Leuten traf, die an Jesus Christus glauben und nicht an die anderen Götter. Und er hatte miterlebt, wie sehr seine Tochter die Geschichten von Jesus gefielen, wie sie immer mehr davon wissen wollte. Ihm passt das überhaupt nicht. „Ich verbiete dir, dich von unseren alten Göttern abzuwenden“, hatte er befohlen. Diese neue Religion von Jesus Christus passt nicht zu uns“. Barbara hatte geantwortet: „Aber dieser Jesus hat doch so viel Gutes getan! Das kann keine schlechte Religion sein!“ Doch der Vater blieb bei seiner Meinung. „Ich werde dafür sorgen, dass du keine Gelegenheit mehr hast, mit diesen Christen zu sprechen“, hat er gerufen. Und deshalb ließ er den Turm bauen.

Barbara hat ihren Vater lieb, und sie will ihn auch nicht unnötig ärgern. Aber sie ist auch interessiert an all dem, was um sie herum geschieht, an den Menschen und ihren Gedanken, an den Geschichten, die erzählt werden. Und die Geschichten von Jesus findet sie so wunderbar. Von ihm und seinem Glauben an den einen Gott will sie unbedingt noch mehr hören. Immer wieder versucht sie ihren Vater umzustimmen: „Lass uns doch miteinander über diesen neuen Glauben reden!“ bittet sie ihn. „Es kann doch nichts Schlechtes sein, von Menschen zu hören, die anderen Gutes getan haben!“ Aber der Vater bleibt dabei: „Ich will von diesem Glauben nichts wissen, und ich verbiete dir noch einmal, mehr von ihm zu erfahren!“

Barbara ist darüber sehr traurig. In ihrem Turm hat sie viel Gelegenheit, über diese Gespräche mit dem Vater nachzudenken. „Mein Vater hat kein Recht, mich hier einzusperren“, sagt sie sich immer wieder. „Er muss anerkennen, dass ich nicht immer dieselbe Meinung habe wie er. Er darf mir nicht vorschreiben, mit welchen Menschen ich reden darf und mit welchen nicht. Ach, wenn er mich doch nur besser verstehen würde. Wenn er doch nur verstehen könnte, wie gerne ich die Geschichten von Jesus höre!“

Ihr Turmzimmer hat Barbara mit Zweigen geschmückt. Sie haben Blütenknospen, die aber noch verschlossen sind. Wenn sie diese Knospen ansieht, muss sie auch, daran denken, wie bei ihr selbst so viel noch zugeschlossen ist. Ob sich da für sie etwas öffnen und Neues, Schönes zum Vorschein kommen wird?

Eines Tages bekommt Barbara Besuch von einem klugen Arzt, den ihr Vater ausgewählt hat, um nach ihrer Gesundheit zu sehen, mit ihr zu reden und ihr auch von der Welt draußen zu erzählen. Sie unterhält sich mit ihm, und dann sagt der Fremde plötzlich: „Ich kann dir Geschichten von Jesus erzählen, denn ich bin auch Christ. Ich gehöre zu denen, die an Jesus Christus glauben. Ich bringe dir auch Nachrichten von anderen Christen, die du kennst. Barbara freut sich und erschrickt zugleich: „Weiß das mein Vater?“ fragt sie. „Natürlich nicht“, antwortet der Besucher. „Aber ich weiß doch, wie wichtig dir die Geschichten von Jesus sind!“

Barbara zögert. Sie weiß ganz genau, dass ihr Vater es verboten hat, solche Geschichten zu hören. Aber sie will es trotzdem und sagt deshalb: „Erzähle mir von Jesus! Mein Vater hat es mir verboten. Aber es kann doch nichts Unrechtes sein, Geschichten von Jesus zu hören!“ Und der Besucher erzählt. Mit diesen Geschichten beginnt es in ihr zu blühen. Es ist ihr, als ob sie selbst mit dabei wäre in der Gemeinschaft der Freundinnen und Freunde Jesu. In den Geschichten von Jesus hört und sieht sie so viel, das wie ein Licht in ihr Turmzimmer herein scheint, das sie wie einen Strauß prächtiger Blumen und Blüten erlebt.

Der Vater erfährt nichts davon, und der kluge Gast darf sie deshalb noch öfter besuchen. Und dann sagt Barbara zu ihm: „Ich will auch zu denen gehören, die an Jesus Christus glauben. Taufe mich! Und dann will ich es meinem Vater sagen. Ich will ihn nicht belügen und nur heimlich glauben. Ich weiß, dass unser Glaube an den einen Gott, von dem Jesus so viel erzählt hat, mir soviel Kraft gibt, es meinem Vater zu sagen“. Der Gast nickt: „Es wird für dich nicht leicht sein, das zu tun, aber Gott wird mit seinem guten Geist bei dir sein!“

Und dann berichtet sie ihrem Vater alles. Der ist empört, lässt sich nicht beruhigen und lässt sie auch zur Strafe schlagen. Barbara erträgt das alles mutig und tapfer, denn in sich sind die Geschichten von Jesus lebendig und die Bilder von hell leuchtendem Licht und dem Blütenstrauß.

 

Gesprächsimpulse

  • Würdest du gerne in einem Turm leben?
  • Welche Antwort kannst du jetzt auf die Frage geben, warum die hl. Barbara so oft mit einem Turm abgebildet ist?
  • Darf man einem Menschen verbieten, bestimmte Sachen zu hören oder zu sehen?
  • Wann dürfen Eltern darüber bestimmen, was ihre Kinder hören oder sehen?
  • War es von Barbara richtig, die Geschichten von Jesus zu hören, obwohl ihr Vater es verboten hat?
  • Als Barbara sich entschloss, ihrem Vater alles zu sagen, da fiel ihr das ganz bestimmt nicht leicht. Hätte sie sich anders verhalten sollen?
  • Warum wohl hat Barbara von sich aus dem Vater die Wahrheit gesagt? Es wäre doch viel einfacher gewesen, zu schweigen.
  • Können Bilder, die man in sich hat, einem in der Not helfen?


Nikolaus (6.Dezember): Rettung aus großer Gefahr

Ziel:

  • Mit Nikolaus-Legenden anschauliche Vorstellungen von der für die Kinder so wichtigen Gestalt des christlichen Glaubens gewinnen
  • Gemeinsamkeiten zwischen den Geschichten von Jesus und von Nikolaus wahrnehmen


Hat die Nikolaus-Legende von der Rettung der Menschen in Myra aus der Hungersnot Anklänge an die Jesus-Geschichte von der Speisung der 5000, so ist es bei dieser die Sturmstillungsgeschichte. Auch hier soll es primär nicht so sehr um das Wunderhafte gehen, sondern um das aktive Eintreten für andere, das im tiefen Vertrauen auf Gottes Schutz und Begleitung begründet ist. Wie die Kinder mit dem Wunder-Geschehen umgehen, wie sie es zu verstehen und zu deuten versuchen, wie sie darüber miteinander ins Gespräch kommen, das verdient aber auf jeden Fall unsere Aufmerksamkeit, ohne sie in bestimmte Bahnen lenken zu wollen.

 

Bischof Nikolaus lebte in Myra, einer Stadt am Meer. Dort geriet einmal ein Schiff, das sich noch mitten auf dem Meer befand, in einen gefährlichen Sturm. Besorgt sahen die Matrosen auf die dunklen Wolken, die sich immer dichter zusammenballten, und auch auf die Segel, die von dem heftigen Wind hin und her gerissen wurden. Auch Fahrgäste waren auf dem Schiff, und die starrten ängstlich auf die haushohen Wellen, die das Schiff zu verschlingen drohten. „Wir sind verloren“, riefen sie, „dieser Sturm wird unser Schiff auseinander reißen, und wir müssen alle im Meer ertrinken! Ach, wenn uns doch nur jemand helfen könnte!“ Ein anderer rief: „Wenn doch nur der Bischof Nikolaus bei uns wäre, der hätte bestimmt eine Idee, wie wir uns retten könnten, der hat doch schon so vielen Menschen geholfen!“

Einer unter den Fahrgästen war nicht so voller Angst wie die anderen. „Starrt nicht nur auf die Wolken und auf das Wasser!“ rief er. „Vertraut auf Gott, der wird uns helfen!“ – „Wie denn?“ riefen die anderen ganz verzagt. „Indem wir jetzt das tun, was kluge Seeleute in solchen Situationen schon immer getan haben“, rief er zurück. Große Ruhe ging von ihm aus, und indem die anderen auf ihn schauten, wurden sie selbst auch ruhiger. Und dann zeigte der fremde Fahrgast jedem, was er zu tun hatte. Die einen hatten ihre Aufgabe bei den großen Segeln, die anderen beim Ruder, wieder andere bei den Türen zu den Schiffskabinen und Laderäumen.

Das Schiff wurde zwar immer noch auf den Wellen hin- und hergeworfen, auf und nieder, aber es zerbrach nicht. Und als der Sturm dann endlich schwächer wurde und schließlich ganz aufhörte, fiel die Angst von ihnen wie eine schwere Last ab. „Wir wollen Gott danken, dass er uns gerettet hat“, sagte der Fremde, und alle stimmten in sein Dankgebet ein. Wohlbehalten kam das Schiff im Hafen von Myra an. Die Matrosen und Fahrgäste gingen an Land. Einige der Seeleute schauten sich die Stadt an und redeten immer wieder über die große Gefahr und die wunderbare Errettung. „Es war, wie wenn der gute Geist des Nikolaus bei uns gewesen wäre“, sagte einer. Und sie beschlossen, dem Bischof einen Besuch abzustatten. „Wer nur dieser mutige und kluge Fahrgast war?“ fragte ein anderer, „ohne den wäre wahrscheinlich alles anders ausgegangen!“ Die anderen nickten zustimmend.

Da waren sie schon bei der Bischofskirche und traten in den feierlichen stillen Raum ein. Es fand gerade ein Gottesdienst statt. Bischof Nikolaus sprach ein Gebet und dankte Gott, dass der Sturm, der über das Meer und die Stadt hinweggefegt war, keinen größeren Schaden angerichtet hatte. Er rief auch die Bewohner von Myra auf, einander bei der Reparatur der beschädigten Häuser und Schiffe zu helfen. Aufmerksam hörten die Matrosen zu. Die Stimme des Bischofs kam ihnen irgendwie bekannt vor! Und das Gesicht auch. Und allen ging zur gleichen Zeit dieselbe Frage durch den Kopf: Könnte es sein, dass der fremde Helfer auf dem Schiff der Bischof Nikolaus selbst war? Dass auch sie ihn als einen Helfer in großer Not erlebt hatten?

Gesprächsanregungen:

  • Kannst du dir vorstellen, wie gut es tut, wenn einer in einer schwierigen Situation Ruhe ausstrahlt und genau weiß, was zu tun ist?
  • Die Matrosen hatten sich ja gewünscht, dass Bischof Nikolaus ihnen helfen sollte. Was meint ihr, ob der Helfer in der großen Not Bischof Nikolaus selbst war? Wer hätte es noch sein können?
  • Hat es Sinn, in einer schwierigen Situation jemand um Hilfe zu bitten, der gar nicht da ist? Wie könnte der helfen?
  • Ist es sinnvoll, Gott um Hilfe zu bitten, auch wenn man ihn nicht sehen kann?
  • Hast du eine Vorstellung davon, wie Gott helfen kann?
  • Am wichtigsten sind oft gute Ideen, was in einer schwierigen Situation helfen kann.
  • Hast du auch schon einmal solche guten Ideen gehabt?

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