Thomas begegnet dem Auferstandenen  (Johannes 20)

Ziel:

  • sich anhand dieser biblischen Geschichte mit dem Verhältnis von Sichtbarem und Unsichtbarem im christlichen Glauben auseinandersetzen
  • mit der Person des Thomas Zweifel als wichtigen Teil der eigenen Glaubensentwicklung wahrnehmen

Vorüberlegungen

Das Johannesevangelium des Neuen Testaments lässt ein tiefes Verständnis für religiöse Symbolik erkennen. Geheimnisvolles wird auf der einen Seite sehr anschaulich und realistisch vorgestellt, um dann aber gleich wieder relativiert zu werden – als ein Bild für die größere und unanschauliche Wirklichkeit Gottes, die sich menschlichem Zugreifen und Verstehen entzieht. So ist es mit dem Speisungswunder, das in die deutenden Worte Jesu mündet: „Ich bin das Brot des Lebens“. Und auch in der geradezu drastisch gezeichneten Erweckung des Lazarus von den Toten, auf dessen Verwesungsgeruch zunächst ausdrücklich hingewiesen wird, dessen Auferstehung dann aber vor allem ein Gleichnis für Jesu Auferstehung ist: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25).

Zu den nur bei Johannes erzählten Geschichten gehört auch die Begegnung des Auferstandenen mit Maria Magdalena, die ihm wohl sehr nahe stand. Sie erkennt ihn an der Stimme, eilt hin, um ihn zu umarmen, wird aber von ihm zurückgewiesen: „Berühre mich nicht!“ Jesus gehört jetzt zur unsichtbaren Welt Gottes. Große menschliche Nähe, die zunächst an eine Wiederbelebung des Leichnams Jesu denken lässt, wird anschließend gleich korrigiert und relativiert: der Auferstandene gehört jetzt nicht mehr zur irdischen Welt.

Die andere typisch johanneische Ostergeschichte ist die Begegnung des Auferstandenen mit dem zweifelnden Jünger Thomas. Ihm erlaubt Jesus so viel körperhafte Nähe wie sonst keinem. Thomas darf Jesu Wundmale fühlen und sich so vergewissern, dass der Auferstandene wirklich der Jesus von Nazareth ist. Doch dann folgt anschießend gleich die Relativierung: „Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben!“ (Joh 20, 29).

Das Sichtbare und Handgreifliche wird nicht zurückgewiesen oder gar schlecht gemacht, sondern ausdrücklich akzeptiert – und zugleich auch relativiert. Es darf nicht mehr sein als Hinweis auf das Nicht-Fassbare, Geheimnisvolle, Unanschauliche der größeren Wirklichkeit Gottes.

 

Erzählanregung


Thomas gehört zu den Freunden Jesu, die mit ihm am großen See Genezareth von einem Ort zum anderen wanderten. Er hatte immer viele Fragen an Jesus, so dass ihn die anderen manchmal nur noch ‚unseren Fragekasten’ nannten. „Warum nur kann man Gott nicht sehen?“ fragte er Jesus immer wieder. „Es wäre doch viel einfacher an Gott zu glauben, wenn wir ihn sehen könnten!“ – „Aber mich kannst du doch sehen, hören und auch anfassen“ antwortete Jesus, „genügt dir das nicht?“ – „Doch“, meinte Thomas, „und wenn du die Kranken im Namen Gottes anrührst und heilst, dann weiß ich, dass deine Kraft von Gott kommt. Aber Gott selbst – das ist doch noch etwas anderes!“ Jesus hörte Thomas aufmerksam zu und meinte dann: „Es gibt Sachen, die können wir uns genau ansehen und auch anfassen und auf diese Weise wissen, dass sie wirklich da sind. Und es gibt Sachen, die können wir mit unseren Augen und Händen nicht wahrnehmen, und doch sind sie da“. Thomas seufzte und meinte: „Ich möchte eben alles immer genau wissen!“ – „Das ist ja auch gut so, Thomas“, antwortete Jesus, „aber es ist auch manchmal schwierig, wenn es um die unsichtbaren Dinge geht“. So ging es immer wieder hin und her zwischen Jesus und seinem ‚Fragekasten’.

Seit ein paar Tagen aber ist alles anders. Jesus ist nicht mehr da. Zuletzt hatten sie das Abendmahl gefeiert, dann wurde Jesus von den Soldaten gefangen genommen und von den Machthabern in Jerusalem zum Tod verurteilt. Aber noch etwas geschah. Einigen von den Frauen und dann auch den meisten Jüngern war Jesus als der Auferstandene erschienen. Sie waren danach voller Freude, dass Jesus lebt – auch wenn er dann wieder vor ihren Augen verschwand. „Ihr könnt mich nicht mehr sehen, denn ich bin jetzt bei Gott“, hatte er vorher den Seinen gesagt. „Aber ich bin mit meiner Kraft bei euch!“

Thomas war bei diesem Ereignis nicht dabei gewesen. Jetzt, als die anderen ihm davon erzählen, meint er: „Wieso soll ich glauben, dass Jesus lebt, wenn ich ihn nicht sehen kann? Und sei ihr euch auch wirklich sicher, dass es wirklich unser Jesus war? Und warum ist es mir nicht erschienen, damit ich auch an ihn glauben kann?“ Die anderen werden ungeduldig und meinen: „Ach Thomas, unser Fragekasten!“ Und Thomas sagt darauf: „Ich glaube nur daran, wenn ich den auferstandenen Jesus selbst sehe und wenn ich mit meinen Händen prüfen kann, ob er es auch wirklich ist!“

Nach einigen Tagen ist der Auferstandene wieder auf einmal mitten unter ihnen, und Thomas ist auch dabei. „Friede sei mit euch!“ begrüßt Jesus seine Freunde, und dann wendet er sich Thomas zu: „Thomas, ich weiß, du hast so viele Fragen“. Thomas nickt. Er weiß gar nicht, was er sagen soll. Und Jesus sagt weiter: „Und du bist dir nicht sicher, dass ich es wirklich bin?“ Noch ehe Thomas antworten kann, nimmt Jesus seinen Arm und sagt: „Du kannst fühlen, dass ich es bin – da, wo die Soldaten mich verwundet haben! Glaubst du jetzt, dass ich es bin?“

Thomas nickt und meint dazu: „Danke Jesus, dass ich jetzt sicher weiß, dass du es wirklich bist. Du kennst mich ja mit meinen vielen Fragen!“ Da nickt Jesus und sagt: „Ja, ich kenne dich und mag dich genauso wie die anderen. Du willst alles genau wissen. Aber jetzt musst du lernen, dass du mich fortan nicht mehr sehen kannst, so wie du auch Gott nicht sehen kannst. Aber trotzdem sollst du wissen, dass ich auch bei dir bin mit meiner Kraft. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Und dann ist Jesus wieder verschwunden.

Immer wieder muss Thomas über seine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus nachdenken. „Jesus hat Recht“, denkt er sich. „Ich konnte ihn sehen und mit meiner Hand spüren. Aber jetzt heißt es an ihn zu glauben, auch wenn ich ihn nicht sehen kann. Und so wird es wohl immer sein“.

 

Gesprächsimpulse

  • Hast du dir auch schon einmal gewünscht, Gott zu sehen?
  • Was meinst du, warum man Gott nicht sehen kann?
  • Thomas hatte so viele Fragen. Ist es gut und richtig, so viele Fragen zu haben?
  • An was kannst du erkennen, dass Jesus den Thomas gerade mit seinen vielen Fragen gern hatte?
  • Was hat Jesus wohl mit dem Satz gemeint: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben?
  • Was meinst du, ob es Thomas fortan gelungen ist, an Gott zu glauben, obwohl man ihn nicht sehen kann?

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