Gebannte Löwen-Angst (Daniel 6)

 

Ziele:

  •  sich an eigene innere Bilder der Angst erinnern und mit der Geschichte deren Überwindung miterleben
  •  im Miterleben mit König Darius Vertrauen auf Gottes Schutz und Hilfe in schwieriger Situation gewinnen
                                                  

Probleme, die uns den Tag über beschäftigt haben, können uns bis in den Schlaf hinein verfolgen. Und dort werden sie in der dunklen Stille größer und größer. Am helllichten Tag sieht es dann wieder ganz anders aus. Dass auch Kinder mit ängstigenden Träumen zurecht kommen müssen, das erleben Eltern immer wieder, wenn die Kleinen von Ängsten geplagt im Elternbett Schutz suchen. Oft sind es Tiere, die den Kindern in den Träumen zu schaffen machen. Da muss dann mitten in der Nacht der imaginäre Wolf aus dem Kinderzimmer verscheucht werden, oder der Rabe mit den stechenden Augen, der ans Fenster klopft.

Ängstigenden Bildern ist nicht so sehr mit Erklärungen beizukommen („da ist wirklich kein Tier unter dem Bett!“), sondern mit kräftigen Gegenbildern, in denen das Angst Machende gebannt und vertrieben wird. In einem Bittpsalm (Ps. 57) heißt es: Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig! Denn auf dich traut meine Seele, und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe. Ich rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, zu Gott, der meine Sache zum guten Ende führt. ..Ich liege mitten unter Löwen; verzehrende Flammen sind die Menschen, ihre Zähne sind Spieße und Pfeile und ihre Zungen scharfe Schwerter. Sie haben meinen Schritten ein Netz gestellt und meine Seele gebeugt; sie haben vor mir eine Grube gegraben – und fallen doch selbst hinein.
Mein Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe. Wach auf, meine Seele, wach auf, Psalter und Harfe, ich will das Morgenrot wecken! Denn deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen
.

In diesem Psalmgebet erleben wir mit, wie sich konkrete Probleme mit übel wollenden Menschen zu bedrohlichen Bildern verdichten, zu Feuerflammen und zu Löwen. Dagegen setzt der Beter das Bild der bergenden Flügel; der Fallensteller wird selbst in seine Grube stürzen und – damit sind wir schon nahe bei der Danielsgeschichte – die Löwen sind von einer höheren Kraft gebannt, so dass von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht. Vertrauen auf Gott zeigt sich da in den kraftvollen Gegenbildern, die das Ängstigende zurückdrängen, in Bilder des Vertrauens verwandeln.

 

Das Danielbuch ist die jüngste Schrift im Alten Testament, deren Entstehung auf kurz vor 164 v. Chr. datiert werden konnte. Es ist die Zeit schwerer Glaubenskämpfe, in denen vor allem die sog. Makkabäer für den Erhalt des reinen Glaubens an den einen Gott stritten, so wie er in den Büchern der Hebräischen Bibel, des Alten Testaments überliefert ist. Bedroht war dieser Glaube durch hellenistische Einflüsse im Zeichen des entstandenen Weltreichs Alexander des Großen und seiner Nachfolger, in das hinein auch der jüdische Staat vereinnahmt wurde. Da stellten die griechischen Besatzer z.B. eine Zeus-Statue im Tempel von Jerusalem auf, was die religiösen Gefühle der Juden zutiefst verletzte, den Widerstand bestärkte und den Aufruf zur Glaubenstreue dringlicher werden ließ.

 

Die Handlung des Danielbuchs ist einige Jahrhunderte früher angesiedelt. Daniel und seine Freunde sind im Verlauf der vernichtenden Niederlage gegen die Babylonier im 5. Jh. v. Chr. ins Exil im Zweistromland (heutiger Irak) verschleppt worden. Daniel und die Seinen erweisen sich als aktive, loyale Staatsbürger, die aber ihrem Glauben treu bleiben und auch Verfolgungen um ihres Glaubens willen auf sich nehmen. So wird erzählt, wie Daniel dank herausragender Fähigkeiten in höchste politische Ämter aufsteigt, einer der drei ‚Staatssekretäre’ des Königs Darius von Medien wird (der freilich nicht mit der historischen Gestalt Darius identisch ist). r.

 

Das weckt den Neid seiner Kollegen in den höchsten politischen Ämtern. Da sie ihm keine Fehler nachweisen können, versuchen sie bei der religiösen Treue Daniels den Hebel anzusetzen. Sie trotzen dem König ein unumstößliches Gesetz ab, wonach im folgenden Monat kein Gott außer dem göttlichen Rang einnehmenden König selbst angebetet werden darf. Daniel, der für seine Glaubenstreue bekannt ist, wird daraufhin überwacht, beim Gebet zu seinem Gott beobachtet und angezeigt. Zu spät erkennt der König die Falle, in die er mit seinem Schützling Daniel geraten ist. Verzweifelt muss er sich seinem eigenen Gesetz beugen und zulassen, dass Daniel den Löwen zum Fraß vorgeworfen wird.

 

Die Geschichte erzählt von einer ruhelosen Nacht des Königs. Doch als es am anbrechenden Morgen den niedergeschlagenen König zur Löwengrube treibt, hört und sieht er dort den lebendigen Daniel, der von Engeln vor dem Angriff der Löwen bewahrt wurde. Jetzt wird das Gesetz durch ein anderes ersetzt. Die Intriganten samt ihren Familien werden den Löwen vorgeworfen und mit dem neuen Gesetz wird im ganzen Reich die Verehrung des einen Gottes angeordnet, dem Daniel so treu verbunden  blieb.                                                                                                                                                        

Für die folgende Erzählung ist als Identifikationsfigur nicht Daniel selbst, sondern der König Darius gewählt. Mit Daniel erscheint die Gefahr zu groß, einerseits in moralisierendes Bewundern seiner Tugenden abzugleiten,  zum anderen in seiner Begegnung mit den Löwen Angstbilder der Kinder eher noch zu verstärken als zu bekämpfen. Die biblische Erzählung selbst weist uns diesen Weg, indem sie weithin aus der Sicht des Königs erzählt. Das gibt uns Zugang zu seinen Angst- und Hoffnungsträumen und damit Raum für Bilder und Vorstellungen der Kinder.

 

In der Geschichte wird darauf verzichtet, die grimmige Bestrafung derer zu erzählen, die Daniel und den König in die schlimme Situation gebracht haben - und damit zugleich die Urheber dieser ihnen freilich unerwartet entglittenen und zu Rettung gewordenen Geschichte sind.

 

 

König Darius sitzt mit Daniel, seinem wichtigsten und treuesten Berater im Regierungszimmer seines Schlosses. Der König seufzt: „Ein so riesiges Weltreich wie das unsere ist wirklich nicht leicht zu regieren“. Und dann beugt er sich schon wieder mit Daniel über die Pergamente, auf denen die Berichte der Regierungsbeamten aufgezeichnet sind, und in denen der König um wichtige Entscheidungen gebeten wird. Daniel macht Vorschläge, für welche Städte Geld für sichere Mauern am wichtigsten ist, welche Handelsstraßen ausgebaut werden sollten. Immer wieder nickt der König zustimmend, dann richtet er sich auf, schaut Daniel freundlich ins Gesicht und sagt: „Daniel, ich muss mich immer wieder über dich wundern. Du bist als Gefangener in unser Land gekommen und hast trotzdem all deine großartigen Fähigkeiten, deinen Verstand und deine Klugheit, deine Freundlichkeit, deine Geduld und Hilfsbereitschaft in den Dienst unseres Landes gestellt. Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll!“ Daniel schaut ein bisschen verlegen und antwortet: „Mein König, auch du hast mir großes Vertrauen entgegengebracht, wie ich es als Gefangener wohl nie hätte erwarten können. Es ist mir eine große Freude und Ehre, dir als einer deiner obersten Beamter dienen zu können“. Der König nickt, dann arbeiten sie wieder weiter, bis Darius erneut die Beratung unterbricht und Daniel anschaut.

 

„Daniel, mir geht schon die ganze Zeit ein Gedanke durch den Kopf: Mit dir allein zu arbeiten ist viel angenehmer und besser als zusammen mit den beiden anderen Staatssekretären. Ich möchte dich gerne zu meinem alleinigen obersten Berater ernennen. Dann können wir all die schwierigen Aufgaben ohne die anderen viel besser lösen! Was meinst du?“ Daniel wirkt ein bisschen verwirrt. „Mein König“, antwortet er, „dieses Angebot ehrt mich sehr. Aber bedenke doch, das wird den Neid der anderen wecken und Unzufriedenheit in unsere Regierung bringen!“ Der König winkt mit der Hand ab und meint nur: „Ach was, schließlich bin ich der König und habe immer noch das Recht, die Gesetze zu erlassen, die nach unserer Ordnung heilig und unveränderlich gültig sind. Mit meinem Plan werden sich die anderen wohl zurechtfinden“. Er klopft Daniel auf die Schulter und meint: „Daniel, das bekomme ich schon hin. Heute Nachmittag, wenn wir unser Regierungsgespräch zusammen mit den anderen weiterführen, werde ich es ihnen sagen, was ich mir ausgedacht habe“.

 

Am Nachmittag geschieht es so. Der König erklärt auch den beiden anderen, was er mit Daniel vorhat. Er ist so begeistert von seiner Idee, dass er gar nicht bemerkt, wie die vor Wut ihre Lippen zusammenpressen, um sich nichts anmerken zu lassen. Er ahnt nicht, dass die beiden sich einiges überlegen werden, um den Plan des Königs zu zerstören. Er merkt auch nichts davon, als die beiden in einer Pause den König auf die Seite nehmen und ihm mit feierlichen Gesichtern einen Vorschlag machen: „Mein König“, sagt der eine, „wir wollen auch weiterhin alles tun, was den Ruhm und die Ehre unseres Königs in alle Lande trägt“. Darius ist zufrieden mit diesen Worten, sie gefallen ihm. Der andere fährt fort: „Darum schlagen wir ein Gesetz vor, das alle Bürger des Landes verpflichtet, der göttlichen Ehre unseres Königs so zu dienen, indem sie zu keinem anderen Gott beten als zu unserem König“. Auch das gefällt dem König, er fühlt sich sehr geschmeichelt. ‚Ich als mächtiger König und zusammen mit Daniel als meinem Stellvertreter’, denkt er sich, ‚das ist doch eine wunderbare Sache’. Er gibt das Gesetz in Auftrag und merkt nicht, wie die beiden anderen sich heimlich zufrieden anblinzeln. Und so tritt dieses neue, unveränderbare Gesetz des Königs in Kraft.

 

Aber auf die Zufriedenheit des Königs folgt ein paar Tage später ein schlimmes Erschrecken. Die beiden Staatssekretäre und Soldaten treten vor den König und führen einen gefesselten Gefangenen mit sich. Es ist Daniel. Der König springt auf: „Was soll das? Was fällt euch ein? Wie kommt ihr dazu, meinen künftigen Stellvertreter so zu behandeln?“
Da tritt einer der beiden Staatssekretäre vor und berichtet: „Mein König, wird haben das neue Gesetz treu befolgt und Wächter beauftragt, die darauf achten, dass es überall eingehalten wird“. Er verschweigt allerdings, dass die beiden von Daniels Treue zu seinem Gott gewusst haben: Sie waren sich sicher, dass Daniel nicht darauf verzichten wird, zu seinem Gott zu beten. Und so sind Wächter extra vor seinem Haus auf und ab gegangen, haben sich vor allen seinen Fenstern versteckt, um ihn beim Gebet zu überraschen - was ihnen dann ja auch gelungen ist. Der andere fährt fort: „Unsere Wächter haben Daniel bei seinem Gebet ertappt und festgenommen. Wir werden ihn jetzt seiner gerechten Strafe, dem Tod in der Löwengrube zuführen, gemäß dem unumstößlichen königlichen Gesetz!“

 

Jetzt wird dem König auf einmal alles klar. Er schlägt sich an die Stirn und ruft: „An die Verehrung des Gottes, den Daniel anbetet, habe ich natürlich nicht gedacht! Die stört doch meine Ehre überhaupt nicht. Ich habe doch nur an die anderen Götter gedacht, an deren Statuen aus Gold und deren Opferaltäre. Für den Gott Daniels möchte ich gerne eine Ausnahme machen“. Aber die anderen schütteln den Kopf: „Mein König, das geht nicht. Gesetz ist Gesetz, vom König selbst unterzeichnet!“ Da merkt der König, dass die anderen ihm mit dem Gesetz eine Falle gestellt haben, in der er nun sitzt - und noch mehr sein treuer Gehilfe Daniel, der nun zur Löwengrube gebracht wird. Bei Einbruch der Dunkelheit wird er dann hinab gestoßen werden. Der König fühlt sich hilflos, so hilflos wie noch nie. Er, der göttliche König kann nicht einmal mehr seinem Freund Daniel helfen. Er hat als sein großer, mächtiger Freund versagt. Jetzt kann nur noch ein anderer göttlicher Freund helfen.

 

In der Nacht geht es dem König schlecht. Schlafen kann er nicht. Er hat noch gesehen, wie die anderen ohne Daniel von der Löwengrube zurückgekommen sind. Er fühlt sich schuldig. Die Schuld liegt auf ihm wie schwere Steine. Er sieht die Gesichter der beiden anderen Staatssekretäre vor sich, wie sie zufrieden vor sich hin grinsen. Und vor seinem inneren Auge werden sie ihm zu bösen Fratzen. Sie reißen ihren Mund auf und die sehen wie Löwenrachen aus. Voller Schreck fährt der König auf und ruft: „Daniel, ich kann dich nicht retten. Du Gott Daniels, rette du ihn, wenn du es kannst!“ Und dann sinkt er wieder auf seinem Bett zurück und grübelt weiter vor sich hin. Als der Diener kommt, um ihm etwas zu essen und zu trinken zu bringen, schickt er ihn wieder weg. Er will jetzt allein sein – mit seiner Angst und mit seiner Hoffnung, dass es doch noch eine Rettung für Daniel gibt. Er sieht vor sich das Dunkel der Löwengrube, denkt an seine Schuld und ahnt, dass Daniel schon längst tot ist. Und dann sieht er vor sich auf einmal auch ein helles Licht, vor dem die Löwen geblendet zurückweichen. „Du Gott“, ruft er noch einmal, „hilf du Daniel und mir!“ Dann sieht er wieder Dunkelheit und dann wieder Licht und in dem Licht Engel, die wie Wächter zwischen Daniel und den Löwen stehen. So geht es die ganze Nacht hin und her.

 

Endlich wird es im Osten hell, und ein roter Schein zeigt an, dass der Morgen kommt. Sobald es hell genug geworden ist, hält es der König nicht mehr länger in seinem Schloss aus. Er geht hinaus zur Löwengrube, voller Bangen und Hoffen. Und er ruft schon von Weitem: „Daniel, lebst du noch? Hat dich dein starker Gott beschützen können?“ Da hört er eine Stimme aus der Grube, die Stimme, die er so gut kennt, die Stimme Daniels: „Mein König, ich lebe! Mein Gott hat mich durch seine Engel vor dem Tod bewahrt!“ Schnell ist eine Leiter hinab

geschoben, und gleich darauf sieht der König, wie Daniel unverletzt aus der Grube heraus steigt. Er schließt Daniel in seine Arme und ruft: „Ich habe es geahnt, ich habe es gewusst, ich habe es gesehen! Dein Gott ist ein starker Gott. Er hat dich gerettet und mir die Last der Schuld von meinen Schultern genommen!“ Glücklich kehren die beiden zum Schloss zurück. Ein großes Fest wird vorbereitet, und zugleich auch ein neues, unveränderbares Gesetz des Königs erlassen: „Das ist mein Befehl, dass man in meinem ganzen Königreich den Gott Daniels ehren soll. Denn er ist der lebendige eine und einzige Gott, der ewig bleibt, er ist ein Retter und Helfer, und sein Reich ist unvergänglich“.

 

Gesprächsimpulse

  • Der König hat eine schlimme Nacht erlebt. Kannst du dir vorstellen, wie es ihm in dieser Nacht ergangen ist?
  • Sein Erlebnis im Licht der Morgensonne hat ihn von einer schweren Last befreit. Kannst du spüren, wie solch eine Befreiung gut tut? Kannst du es uns zeigen?
  • Wie Daniel beschützt wurde, hat der König geträumt. Wie stellst du es dir vor? Wie hättest du es gerne geträumt?
  • Im Rückblick gesehen hätte der König sicher manches anders gemacht. Was hättest du an der Stelle des Darius anders gemacht?
    Der König und Daniel hatten sich an dem Tag nach der schlimmen Nacht viel zu erzählen. Von was haben sie wohl geredet?
  • Was meinst du, wie sie den neuen Tag verbracht haben?
  • Welche Namen haben die beiden wohl dem einen Gott gegeben (z.B. Beschützer-Gott…)
  • In einem Psalmgebet in der Bibel heißt es:
    Ich liege mitten unter Löwen; verzehrende Flammen sind die Menschen, ihre Zähne sind Spieße und Pfeile und ihre Zungen scharfe Schwerter. Sie haben meinen Schritten ein Netz gestellt und meine Seele gebeugt; sie haben vor mir eine Grube gegraben – und fallen doch selbst hinein. Mein Herz ist bereit, Gott, dass ich singe und lobe. Wach auf, meine Seele, ich will das Morgenrot wecken! Gott, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist.
    Kannst du sagen, ob und wie dieses Gebet zur Geschichte vom König Darius und Daniel passt?

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