Ein drittes Werkzeug des Erzählens ist die Gestaltung des Spannungsbogens. Unser roter Faden wird nun gleichsam angespannt. Das ist wichtig im Blick auf unsere Kinder, die sich so oft so schnell anlenken lassen, die Lust am Zuhören verlieren und abschweifen.

In der Sturmstillungsgeschichte beispielsweise braut sich etwas zusammen, das erzeugt Spannung. Vorboten künden das Ereignis an - auch bei den Zuhörenden wachsen Vermutungen, Befürchtungen, Erwartungen. D.h. die Zuhörenden arbeiten gewissermaßen am Fortgang der Geschichte selbst mit. Sie sind einbezogen in den Gang des Geschehens.

Wir sollten beim Erzählen frühzeitig unser Augenmerk darauf richten, was sich da "zusammenbraut", was sich da aufeinander zu bewegt. 

Zachäus hat von Jesus gehört; Jesus kommt nach Jericho - das lässt ihn nicht mehr los, das treibt ihn um, das setzt ihn in Bewegung. Alle Zuhörenden wissen nun, dass sich zwischen diesen beiden etwas Wichtiges ereignen wird. 

Die Frau mit dem verkrümmten Rücken hat von Jesus gehört. Immer wieder muss sie an das denken, was von ihm erzählt wird. Als sie in der Synagoge erfährt, dass Jesus auch da ist, wird sie ganz aufgeregt. Aber zugleich denkt sie sich: Er kennt mich ja gar nicht, er kann mich ja gar nicht sehen, und ich ihn auch nicht. Und doch wartet sie darauf, dass etwas Besonderes geschieht.

Abraham bekommt von Gott die Weisung, seine Heimat zu verlassen. Er ringt sich zu dem Vertrauen auf Gott durch, obgleich er um die drohenden Gefahren, um die damit verbundene Mühsal und die Risiken weiß. Die Zuhörenden ahnen, dass der Weg der Abrahams-Sippe zum guten Ziel führen wird, aber sie möchten es auch erfahren. Und dieses gute Ziel lässt auf sich warten; zwischendurch scheinen die Kritiker recht zu bekommen, die Abraham empfohlen hatten, lieber zu Hause zu bleiben. Der rote Faden strafft sich: so selbstverständlich ist es gar nicht, dass die Geschichte gut enden wird. Die Zuhörenden werden wie Abraham und Sara in die Spannung zwischen dem Vertrauen auf Gott und die Sorge um die Zukunft hinein genommen. Wird die Geschichte wirklich zum guten Ziel führen?

Es soll ganz bewusst der rote Faden gespannt werden: In der Spannung der Abraham-Geschichte wird spürbar, was mit Vertrauen gemeint ist. Im Aufeinander-zu-bewegen von Zachäus oder der verkrümmten Frau wird nachvollziehbar, was vorbehaltlose Anerkennung bedeutet. Die Spannung löst sich genau dort, wo das Befreiende eintritt, wo das Geschenk von Gott zu leuchten beginnt. Das ist der Höhepunkt der Geschichte. Wurden die Zuhörenden in das Sich-Zusammenbrauen bzw. das Sich-aufeinander-zu-bewegen hinein genommen, dann werden sie auch gerne den Höhepunkt auskosten, an ihm verweilen. Dann bekommen die Worte, die das rettende und befreiende Ereignis begleiten, großes Gewicht. Das sollten wir ihnen auch beim Nacherzählen geben, darauf sollten wir bei der Vorbereitung großes Augenmerk legen.

Jesus sagt zu der Frau mit dem verkrümmten Rücken: "Sei frei von deiner Krankheit!" und zu den anderen: "Sie ist doch auch eine Tochter Abrahams!" Wir hören ihn darüber hinaus sagen: "Du bist doch auch ein Kind Gottes! Du bist für ihn ganz wichtig! Er kennt dich und liebt dich ganz besonders!"

Am Höhepunkt der Geschichte soll also das Grundthema des Glaubens deutlich zu Wort kommen.

An dieser Stelle, bei den begleitenden Worten am Höhepunkt des Geschehens, wird auch die Vorbereitungsarbeit zum Erzählen am spannendsten: Wie kann man die oft so knappen Worte der biblischen Vorlage so als einen Dialog gestalten, dass die Kinder ihn gut verstehen können? Wie können wir die Sätze so formulieren, dass sie das Wesentliche gut treffen?

Mit der Antwort auf diese Fragen kehren wir wieder an den Ausgangspunkt unserer Überlegungen zum Erzählen biblischer Geschichten zurück: Das Bedenken des Grundthemas wird uns auch hier zu den angemessenen Worten führen. Was bedeutet Vertrauen bzw. Anerkennung für die Kinder? Wie kann ich in einfachen Worten sagen, dass Gott da ist und die Menschen nicht im Stich lässt, dass Gott jedem einzelnen seine Anerkennung schenkt?

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