Wohnt Gott im Tempel?  (1. Könige 8)

 

Ziele:

  • sich mit Salomons Gedanken zum Tempelbau überlegen, wie Gott in einem ‚Haus für Gott‘ sein kann
  • bedenken, was man in einer Kirche in besonderer Weise von Gott spüren kann

Vorüberlegungen

Im geschichtlichen Selbstverständnis Israels hat der Übergang vom wandernden Volk durch die Wüste mit dem Anführer Mose zur Sesshaftigkeit im Land Kanaan große Bedeutung für den Glauben. In der Wüste ging es um Gott, der mitgeht, sein Volk mit Schutz und Segen begleitet. Im eigenen Land mit seinen klaren Grenzen und seiner Hauptstadt Jerusalem war es nun wichtig, dass Gott da ist, wo regiert wird, wo Entscheidungen getroffen werden. In der Wüste war die sog. ‚Bundeslade‘ das Zeichen für den begleitenden Gott. In ihr wurden die Gesetzestafeln mitgetragen, die Mose auf dem Berg Sinai von Gott bekam. In der Hauptstadt Jerusalem fand diese Lade im neu errichteten Tempel ihren festen Platz. Hier war fortan das Zentrum der Gottesverehrung. Hierher pilgerten die Gläubigen aus dem ganzen Land, hierher kamen auch die im Ausland Lebenden.

Dass Gott auf diese Weise eine Wohnung bekam, war nicht ohne theologische Brisanz: Wie kann denn Gott in einem menschlichen Haus wohnen? Braucht Gott überhaupt solch ein Haus? Brauchen es die Menschen, um an Gott glauben zu können? Brauchen sie es für ihre Spiritualität? Solche Fragen verlangten nach Antworten und tun es auch heute.

Um solche Fragen geht es auch in der Erzählung zu dem von König Salomon durchgeführten Bau des Tempels in Jerusalem. In der Spannung zwischen „Es gibt besondere Orte der Spiritualität“ und „Jeder Ort kann ein Ort der Spiritualität sein“ können sich dann die Kinder mit ihren eigenen Gedanken bewegen. Ein fünfjähriges Kind hat einmal formuliert: „Natürlich wohnt Gott nicht in der Kirche, aber man kann in der Kirche besonders gut an ihn denken“. Das bedeutet so viel wie: Natürlich ist Gott überall da, aber an bestimmten Orten kann man es besonders deutlich erleben.


Erzählvorschlag

Gerade wird König Salomon gemeldet, dass sein erwarteter Besuch in Jerusalem eingetroffen ist. Gleich wird er den König in seinem Palast begrüßen können. Salomon freut sich auf sein Treffen mit König Hiram aus dem Nachbarland Libanon. Schon seit der Zeit von Salomons Vater, dem König David, sind die Könige in Jerusalem und von Tyrus im Libanon befreundet. Salomon freut sich aber auch aus einem anderen Grund. Endlich kann er seinem Freund zeigen, dass der Bau des Tempels zu Ehren Gottes nun kurz vor der Vollendung steht. Er wird mit ihm die Baustelle besichtigen und sich bei ihm für die freundliche Unterstützung bedanken.

Da tritt schon Hiram mit seinen Begleitern ein. Die Könige begrüßen einander herzlich, es gibt ein festliches Essen und dann endlich gehen sie alle hinüber zu der großen Baustelle. Auf einem freien Platz erhebt sich ein hohes Gebäude, höher als alle umliegenden Häuser. Noch sind die mächtigen Baumstämme zu sehen, die das Dach tragen, umgehen von sorgsam behauenen großen Steinblöcken. Salomo zeigt auf sie und sagt zu Hiram: „Das sind die Zedernstämme und die Steine aus deinem Land. Ihr habt die höchsten und schönsten Zedernbäume weit und breit und auch die besten Steinmetze, die man finden kann“. Hiram antwortet: „Das war dir wohl sehr wichtig, dass dieser Tempel das Großartigste wird, das je in dieser Gegend gebaut wurde. Und dazu habe ich dir gerne die höchsten Baumstämme und unsere besten Steinblöcke herbringen lassen.“ Und dann fragt er noch Salomon: „Und dieses Haus soll Gottes Wohnung werden?“ Salomon nickt. „Darum wird es ja auch so groß und darum wird auch noch alles wunderbar mit Gold geschmückt werden“. Hiram staunt über das mächtige Gebäude und meint noch: „Für diese Wohnung Gottes habe ich dir gerne unsere besten Bauleute geschickt!“

An einem der folgenden Tage trifft sich Salomon mit den Priestern, die bald im neuerbauten Tempel die Gottesdienste leiten werden. Er bespricht mit ihnen alles, was noch bis zur feierlichen Einweihung zu tun ist. Einer von ihnen sagt: „Bisher hatte unser Gott kein eigenes Haus. Mit Mose und all unseren Vorfahren ist er auf dem langen Weg durch die Wüste mitgegangen. Er war auf dem Berg, auf dem er Mose die Steintafeln mit den Geboten gab, und er war in der Hitze der Wüste mit dabei. Er ist mit unserem Volk über den Jordanfluss in die neue Heimat gezogen.“ Salomon nickt: „Die Steintafeln mit den Geboten, die unsere Vorfahren in der Wüste immer bei sich hatten und bei denen sie Gottes Nähe spürten, die sollen im Tempel nun ihre Heimat finden und für immer hier bleiben“. Und dann bespricht der König mit den Priestern noch die vielen Einzelheiten, damit das Fest der Tempelweihe gut gelingt.

In der Nacht vor dem großen Fest kann Salomon kaum schlafen. So viel geht ihm durch den Kopf. Er sieht vor sich die hohen Mauern des Gotteshauses, das gewaltige Eingangstor mit den Engelsfiguren, die wie Wächter zu beiden Seiten stehen. Und dann schießt es ihm auf einmal durch den Kopf: „Kann denn dieses heilige Haus wirklich eine Wohnung für Gott sein? Wenn Gott größer ist als die ganze Welt, dann ist doch auch das größte Haus, das Menschen bauen, nicht groß genug für ihn. Braucht denn Gott überhaupt eine Wohnung, so wie Menschen eine haben? Und wenn Gott hier wohnen soll, wie kann er dann überall bei den Menschen sein?“ Ihm wird fast schwindlig von diesen Gedanken. „Morgen ist die Einweihung“, denkt er sich, „aber hat es denn überhaupt einen Sinn, Gott zu bitten, in seine neue Wohnung einzuziehen? Wäre die nicht viel eher ein Gefängnis für ihn? Und was ist mit den Menschen, die weit weg von Jerusalem wohnen? Sind die dann auch weit weg von Gott?“ Fragen über Fragen bedrängen Salomon. „Alle bewundern meine Klugheit“, murmelt er vor sich hin, „aber jetzt bin ich völlig ratlos, ob und wie ich Gott in seine neue Wohnung einladen kann. Was soll ich bloß sagen? Worum soll ich ihn dann eigentlich bitten?“ Aber dann kommt ihm eine Idee, und er kann ruhig einschlafen.

Am nächsten Tag beginnt das große Einweihungsfest. Mit Gebeten und Liedern zieht eine große Menge zum Tempel. Und dann warten alle gespannt auf den Augenblick, in dem König Salomon Gott bitten wird, in seine so groß und schön erbaute neue Wohnung einzuziehen. Jetzt ist es so weit und Salomon beginnt sein Einweihungsgebet.

„Großer Gott, wir danken dir, dass du unser Volk von Ägypten durch die Wüste in dieses Land geführt hast. Immer warst du bei uns, nie hast du uns verlassen. Jetzt sind wir in unserer Heimat angekommen, haben ein Land wie alle anderen Völker und unsere Hauptstadt Jerusalem. Wir bitten dich, auch in dieser Heimat und in dieser Stadt bei uns sein. Deshalb haben wir dieses Haus als deine Wohnung gebaut.

„Jetzt kommt gleich die Bitte an Gott, einzuziehen“, flüstern sich die Leute zu und sind gespannt, wie Salomon diese Bitte aussprechen wird. Aber der hört auf zu beten, macht eine lange Pause. Die Leute werden schon unruhig, bis dann der König endlich weiterspricht. „Guter Gott, du bist größer als wir es uns vorstellen können. Du bist größer als die ganze Welt, größer als der Himmel über uns, größer als alles, was es gibt. Deshalb ist dieses Haus als Wohnung für dich viel zu klein. Wie können wir nur meinen, dass du hier wohnen wirst?“

Die Leute tuscheln sich zu: „Wie soll es jetzt weitergehen mit der Einladung an Gott? Wenn Gott größer ist als alles, dann hat doch dieses Wohnhaus für Gott überhaupt keinen Sinn!“ Dann spricht wieder Salomon und alle hören mit größter Aufmerksamkeit zu, was er jetzt sagt: „Großer Gott, auch wenn dieses Haus viel zu klein für dich ist, so bitten wir dich doch, dass wir hier deine Nähe spüren können, so wie sie unsere Vorfahren auf dem Weg durch die Wüste gespürt haben. Schenke uns die Gewissheit, dass wir, wenn wir im Gebet deinen Namen nennen, sicher sein können, dass du uns hörst. Dies hier soll das Haus sein, an dem wir dann immer sicher sind, dass alle unsere Gebete dich erreichen. Hier wollen wir dich festlich bei deinem Namen nennen“. Und nach einer Pause sagt er langsam und betont jedes Wort: „Dieses Haus soll die Wohnung für deinen Namen sein. Zieh bitte mit deinem Namen in dieses Haus ein!“
Und dann feiert die ganze Gemeinde mit Musik und Liedern den Einzug. Aus dem ganzen Land sind ja viele Menschen nach Jerusalem gekommen, um dies mitzuerleben.

Nach dem Gottesdienst stehen die Leute noch in Gruppen beieinander und reden über das, was sie gerade erlebt haben. In einer Ecke fragen sie sich gegenseitig: „Hast du verstanden, was Salomon damit gemeint hat, dass Gottes Name in diesem Haus wohnen soll? Wie kann denn ein Name in einem Haus wohnen?“

In einer anderen Ecke sind Besucher aus der Stadt Kapernaum, einer Stadt weit weg von Jerusalem beieinander und einer sagt: „Wohnt Gottes Name nur hier? Muss man jetzt immer nach Jerusalem reisen, wenn man zu Gott beten will? Lasst uns zu einem Priester gehen und ihn fragen“. Bald darauf haben sie einen gefunden und sind im Gespräch mit ihm. Er sagt: „Natürlich kann man überall zu Gott beten. Aber wer hier in diesem Tempel zu Gott gebetet hat, der wird es nie mehr vergessen und nie daran zweifeln, dass es gut und richtig ist, zu Gott zu beten. Meint ihr nicht, dass ihr mit dem, was ihr heute hier erlebt habt, auch zuhause besser an Gott glauben könnt?“ Die einen nicken, die anderen fragen weiter: „Braucht man wirklich ein so großes Haus, um nie zu vergessen, dass Gott uns immer nahe ist und uns auf allen unseren Wegen begleitet?“ Und so reden sie noch lange miteinander.

 

Gesprächsanregungen

  • Was würdest du auf diese Fragen antworten?
  • Wie könnte man die Wohnung für Gottes Namen auch anders nennen?
  • Gilt das, was Salomon gesagt hat, auch für unsere Kirchen heute? Wie könnte da Gottes Name in ihnen wohnen?
  • Was hilft uns heute in einer Kirche, Gottes Nähe zu spüren?
  • Braucht man überall eine Kirche, um zu erleben, dass Gott bei uns ist?
  • Was an unseren Kirchen erinnert dich an den Tempel und was ist ganz anders?

 

Ergänzung: Anregung zum Theologisieren mit den Kindern zu der Frage: Wo ist Gott den Menschen nahe?

Von allem, was zu ihrer Wirklichkeit dazugehört, machen sich Kinder anschauliche Vorstellungen. Das gilt auch für ihre Vorstellungen von Gott, von dessen Aussehen und von den Orten, an denen Gott zu finden ist. Zugleich sind die Kinder damit vor große theologische Herausforderungen gestellt: Wie kann denn der unsichtbare Gott angemessen sichtbar dargestellt werden? Kinder finden dabei immer wieder neue kreative Lösungen. Das eine sind die Fragen nach Gottes Erscheinungsbild. In unserem Zusammenhang geht es um Orte und Zeiten, an denen Bilder und Vorstellungen von Gott lokalisiert werden.

Zunächst dominieren bei den Kindern Bilder von Gott im Himmel. Dazu tragen auch viele überlieferte Bilder bei. Aber bald melden sich neue Fragen: Wie kann dann Gott auch bei den Menschen sein? Ein fünfjähriges Mädchen löste das Problem in Analogie zum Beruf des Vaters: „Gott wohnt im Himmel – und auf der Erde hat er seine Praxis“. Aber wo ist diese ‚Praxis‘? Mit dieser Frage stoßen die Kinder dann auf die für sie bedeutsamen Orte und Zeiten ihrer Spiritualität.

Als erstes legt sich wohl die Kirche als ‚Wohnung Gottes‘ nahe. So hatte es ja auch König Salomon gedacht , aber dann musste er sich von dieser Vorstellung trennen. „Gott wohnt nicht in der Kirche“, erklärte die fünfjährige Mia, „aber man kann dort besonders gut an ihn denken“ – eine treffende Erklärung der Kirche als ‚Wohnort‘ Gottes.

Gott ist überall, sagen die Kinder und malen ihre Bilder vom unsichtbaren Gott in der sichtbaren Welt: Bilder von der Natur, Bilder vom Zusammenleben der Menschen – in ihren Häusern, mitten in den Familien. Und dann malen Kinder auch sich selbst und ihnen wichtige Personen mit einem großen roten Herzen: Gott wohnt im menschlichen Herz.

Mit ihren Vorstellungen und Bildern führen uns die Kinder zu ihren Orten der Spiritualität. Und so laden wir sie zum theologischen Gespräch ein, in dem sie einander ihre Bilder und Vorstellungen von Gottes Wirksamkeit im Himmel und auf der Erde austauschen und uns Erwachsene neugierig machen, wohin sie uns im Gespräch führen.

 

Erzählung zur Einführung: Die Gottsucher

Zwei Männer hatten von Gott gehört, wollten ihn gerne persönlich kennenlernen und machten sich deshalb auf die Reise. Sie kamen in eine Stadt mit einer großen und prächtig geschmückten Kirche. „Das ist unser Gotteshaus“ erzählten ihnen Stadtbewohner, die gerade von allen Seiten zur Kirche strömten, voller Stolz. Die beiden gingen mit hinein, betrachteten aufmerksam alle Bilder und Gegenstände. Es wurde ihnen feierlich zu Mute, als die Glocken läuteten, die Orgel zu spielen begann, die Leute sangen und sich zu den Gebeten erhoben. „Jetzt wird gleich Gott erscheinen“, flüsterte der eine dem anderen zu. Aber dann war der Gottesdienst zu Ende, die Leute verließen die Kirche und die beiden blieben enttäuscht zurück. „Schade, dass Gott selbst heute nicht da war“, meinten sie und reisten weiter.

Sie wanderten bei herrlichem Wetter auf einer Anhöhe mit weiten Blicken ins Land, freuten sich über das Rauschen des Baches an ihrem Weg und rasteten unter weit ausladenden Bäumen. „Hier ist alles so wunderbar friedlich“, sagten sie. „Ob uns wohl hier Gott begegnen wird?“ Sie genossen die Wärme der Sonnenstrahlen, das Warten fiel ihnen gar nicht schwer. Aber Gott kam nicht vorbei. Als es Nacht wurde, fühlten sich die beiden hier so sicher und geborgen, dass sie beschlossen, hier auch im Freien zu übernachten. Sie hatten ihre Freude daran, wie in der Dämmerung die ersten Sterne aufblitzten und bald der ganze Himmel mit Sternen übersät war. Sie fühlten sich wie unter einem riesigen Dach. „Ob Gott wohl da oben bei den Sternen wohnt?“ fragten sie einander, schliefen aber gleich darauf vor Müdigkeit ein.

Am nächsten Morgen zogen sie weiter. Auf einem Berggipfel entdeckten sie ein Kreuz. So ein Ähnliches hatten sie auch auf dem Kirchturm in der Stadt gesehen. „Wahrscheinlich ist Gott da oben und man muss sich schon anstrengen, um ihm dort zu begegnen“, meinten sie und sprachen sich bei dem mühsamen Aufstieg Mut zu. Der Ausblick auf dem Gipfel war atemberaubend schön. Sie vergaßen alle Mühe, es war ihnen ganz leicht zu Mute. Aber Gott war nicht da. Enttäuscht stiegen sie wieder hinunter und zogen weiter.

Als es Abend wurde, kamen sie zu einer Kirche mit einigen Häusern um sie herum. Sie läuteten an einem Eingangstor und fragten, ob sie hier übernachten könnten. „Gerne“, meinte der Mann am Tor, und freundlich wurden sie von den Bewohnern aufgenommen und auch eingeladen, mehrere Tage zu bleiben. Gerne nahmen sie das Angebot an, denn sie fühlten sich in dieser Gemeinschaft sehr wohl. Sie erfuhren, dass sie hier in einem Kloster zu Gast waren und die Männer in diesen Häusern ganz und gar für Gott lebten. „Wir sind Gottsucher“, sagten die. „Wir auch“, antworteten die beiden und erzählten von ihrer Reise. „Aber leider haben wir Gott nicht gefunden“ beendeten sie ihren Bericht. Da antworteten die Mönche erstaunt: „Ihr habt doch so viel mit Gott erlebt!“ – „Wie meint ihr das?“ fragten die beiden verwundert zurück.

Gesprächsanregung

  • Was haben die Mönche wohl auf diese Frage geantwortet?
  • Manchmal fragen Leute: Wo ist Gott? Wie ist Gott an solchen Orten da? Wie kann man etwas davon merken? Wie würdest du auf diese Fragen antworten?

Malaufgabe

  • Male ein Bild von dem Ort, an dem es dir besonders wichtig ist, dass Gott da ist.

Die Bilder werden dann vorgestellt. Zuerst äußern die anderen Kinder ihre Vermutungen, welcher wichtige Ort dargestellt ist und welchen Grund das wohl hat. Dann ergänzt der Maler / die Malerin, was ihm bzw. ihr auf dem Bild besonders wichtig ist.
 

 

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