Situationen und Anlässe

 

  • Beobachtungen am Himmel (Sterne, Wolkenbildungen) und Fragen der Kinder, ob Gott im Himmel wohnt
  • Kinder hören Redewendungen vom Himmel
  • Kinder fragen, ob und wo die Verstorbenen im Himmel sind
  • Kinder hören und sprechen zu biblischen Geschichten zum Himmel (Turmbau zu Babel, Ja-kobs Himmelsleiter, Himmelfahrtsgeschichte)
  • Kinder lernen das Vater-unser-Gebet kennen („Vater unser im Himmel“)

Informationen

„Vater unser im Himmel“ – so beginnt das zentrale Gebet der Christenheit. In vielen Gebeten wird Gott als „Himmlischer Vater“ angeredet. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch schwingen in man-cherlei Redewendungen noch religiöse Himmelsvorstellungen mit, wie: „Weiß der Himmel!“ oder „Um Himmels willen“. Was ist da mit ‚Himmel‘ gemeint? Unwillkürlich richtet sich der Blick nach oben, wenn wir das Wort ‚Himmel‘ hören oder lesen, auch beim Himmel in seiner religiösen Bedeu-tung. Dazu kommen Bilder von einer auf Wolken sitzenden göttlichen Figur. Bilder in den Kuppeln barocker Kirchen zeigen einen sich über den Wolken öffnenden Himmel und geben den Blick frei auf Gott Vater und viele Heilige. In Bildern zur Himmelfahrtsgeschichte schwebt der Auferstandene nach oben.

Mit dem „Weltwissen“ schon der Kleinen ergeben sich damit aber mancherlei Irritationen: Wo soll denn dieser bewohnte Himmel lokalisiert werden, wenn die Fotos der modernen astronomischen Geräte Aufsehen erregende Bilder vom Weltall zeigen? Schon die Kleinen haben ihre Flugerfahrungen, und in ihren Bilderbüchern zu Naturwissenschaft und Technik können sie anhand anschaulicher Skizzen einiges über die Planetenbewegungen im Sonnensystem lernen.

 

Himmel in zweierlei Bedeutung

Wie passt beides zusammen? Was von den überlieferten religiösen Himmelsvorstellungen hat auch heute noch seine Bedeutung für ein angemessenes Verständnis unserer Wirklichkeit? Welchen Missverständnissen gilt es dabei vorzubeugen? Hilfreich ist da die in der englischen Sprache bestehende Unterscheidung zwischen ‚Sky’ und ‚Heaven’. Sky ist der astronomische Himmel, wie er den menschlichen Beobachtungen, dem astronomischen Forschen zugänglich ist. Heaven ist der Himmel im spirituellen, symbolhaften Sinn. Er steht für das, was unseren Blicken entzogen ist, auch denen durch die leistungsfähigsten Fernrohre. Gemeint ist hier das Bewusstsein dafür, dass unsere Wirklichkeit nicht im Sichtbaren aufgeht. Religiöses Nachdenken bezieht sich auf ein Verständnis unserer Welt, zu der auch die Dimension des Jenseitigen, Transzendenten, Geheimnisvollen, auch die Unsichtbarkeit Gottes in dessen Unerklärbarkeit gehört.

Kinder behutsam zu solchen Unterscheidungen zu führen, das ist die religionspädagogische Aufgabe, die in der Kindertagesstätte beginnt und einen letztlich durch das ganze Leben hindurch begleitet.

 

Himmel als Ort der Verstorbenen

„Mein Opa ist jetzt im Himmel“ erzählt die kleine Katja im Kindergarten. „Von dort sieht er, was ich mache und passt auf mich auf“. In dieser Vorstellung vom Himmel als Ort der Verstorbenen kann für die Kinder viel Tröstliches stecken. Geliebte Wesen, die aus dem Leben geschieden sind, haben so einen Ort gefunden, zu dem hin die Kinder sie mit ihren eigenen Vorstellungen begleiten können.

Aber auch da gilt es mit den Kindern einen Weg anzubahnen, auf dem sie nach und nach von solcher unmittelbaren Anschaulichkeit Abschied nehmen können – ohne das Tröstliche aufgeben zu müssen, das sie in ihr gefunden haben. Es gilt auch die Vorstellungen des Himmels als Ort der Toten von der Vorstellung des Himmels als ‚Sky’ zu der des Himmels als ‚Heaven’ überzuführen, vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, von unseren Vorstellungen in Raum und Zeit zu solchen Gedanken, die sich dem Sichtbaren entziehen und sich mit dem Begriff der ‚Ewigkeit’ verbinden.

Vorstellungen vom Himmel als Wohnort Gottes und die vom Ort der Toten gehören eng zusammen. Religionspädagogischer Umgang mit ihnen, das Begleiten der Weiterentwicklung der kindlichen Vorstellungen sollte deshalb stets beides im Blick haben: die Frage, wo die Toten sind, und die, wo Gott ist. Bei beidem geht es dabei immer auch um die Frage, wie Erde und Himmel, Sichtbares und Unsichtbares zusammengehören, wie sie zusammenzudenken sind: Es beginnt bei den Fragen der Kinder: „Wie kann Gott zugleich im Himmel und auch auf der Erde sein?“. „Wie kommen die Toten in den Himmel?“ (>>> Kindertheologie). Und es führt weiter zu den Fragen, wie das ahnende Bedenken des Unsichtbaren neben den anschaulichen Vorstellungen vom Sichtbaren Platz finden kann. Es lohnt sich, an solchen Fragen immer wieder dranzubleiben, Kinder in ihren Fragen und im gemeinsamen Suchen nach Antworten zu begleiten.

 

Ergänzungen


In der antiken griechischen Philosophie wurde das sog. geozentrische Weltbild entwickelt, von Aristoteles bis zu Ptolemäus. Deshalb wird es auch ptolemäisches Weltbild genannt. Die Erde ist hier als Scheibe vorgestellt, in der Kuppel über ihr kreisen Sonne, Mond und die Planeten. Erst im 17. -18. Jahrhundert setzte sich mit Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei in der sog. kopernikanischen Wende das uns vertraute heliozentrische Weltbild durch. Galilei musste noch unter dem Druck der ihn anklagenden römischen Inquisition seinen Widerspruch zur tradierten kirchlichen Lehre, die weiterhin dem geozentrischen folgte, verleugnen.

Dem geozentrischen Weltbild folgen auch die Himmelsdarstellungen in barocken Kirchenkuppeln, mit Engeln, Heiligen, Darstellungen der Trinität auf und über den Wolken.

Seit alters her wurden in den Religionen Gottheiten an Orten lokalisiert, die für die Menschen unzugänglich waren. Zu denken ist da beispielsweise an den griechischen Götterhimmel auf dem Olymp. In der Bibel wird von Moses Gottesbegegnung auf dem Berg Sinai erzählt – nur als ein von Gott Berufener darf er sich hier Gott nahen. Noch unzugänglicher ist der Himmel. Sonne, Mond und Sterne wurden in vielen Religionen als Gottheiten verehrt. Sehr ausdrücklich werden in der biblischen Schöpfungsgeschichte (1.Mose 1) solche Vorstellungen korrigiert, indem die Gestirne als von Gott geschaffene Lichter, als ‚Lampen’ bezeichnet werden. Aber die Vorstellung von Gott im Himmel bleibt bestehen: der Ort des Wohnens Gottes ist und bleibt den Menschen unzugänglich, kann von ihnen nicht in Besitz genommen werden.

Für viele hat sich mit der naturwissenschaftlichen Entzauberung solcher Himmelsvorstellungen insgesamt der Glaube an Gott erledigt. Die überholte Vorstellung von Gottes Wohnen im Himmel wurde kurzschlüssig mit Gott selbst verwechselt. Das ist auch das Erbe einer Religionspädagogik, die den Himmelsvorstellungen von ‚oben‘ und ‚unten‘ weiterhin kritiklos gefolgt war. So ist es die theologische und religionspädagogische Herausforderung, die Unzugänglichkeit Gottes nun in anderer Weise zu beschreiben: in der Unsichtbarkeit, in einer Dimension jenseits unserer Wahrnehmungsmöglichkeiten in Raum und Zeit.

In den Evangelien des Neuen Testaments sagt Jesus, dass mit ihm das Reich Gottes, das „Reich der Himmel“ angebrochen sei. Gott ist da, wo Jesus auf Menschen zugeht, hilft und heilt. Gott ist un-sichtbar dabei, wo neues Leben entsteht, wo sich Verzagtheit zu Hoffnung und Lebensmut wan-delt, wo Menschen nach Gottes Willen handeln. Damit sind es gewissermaßen drei Pole, zwischen denen die Gedanken der Kinder hin und her wandern: dem Himmel oben, dem in der Jenseitigkeit Gottes und dem mitten unter uns Menschen. So können sich auch Vorstellungen von Gott und seinem Himmel immer wieder verändern: Gott im real vorgestellten Himmel – Gott in der unsichtbaren Welt des ‚Himmels’ – Gott in den Spuren seines Wirkens auf der Erde.

 

Religionspädagogische Anregungen

 

  • Eindrücklich ist die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel (1.Mose 13): Die Menschen versuchen einen Turm zu bauen, der bis in die Wolken, bis hin zu Gott reicht. Aber der Versuch scheitert kläglich. Die geheimnisvolle Unzugänglichkeit Gottes bleibt den Menschen als Grenze gesetzt. Sie bleibt es auch, nachdem der ‚Himmel’ durch astronomisch-naturwissenschaftliche Forschung entzaubert worden ist.
  • Die alttestamentliche Erzählung von Jakobs Traum, in dem er eine Leiter bis in den Himmel träumt und ganz oben Gott selbst wahrnimmt (1. Mose 28), hat ihr Ziel in der Zusage, dass Gott selbst Jakob auf seinem langen Weg begleiten und beschützen wird.
  • Die biblische Himmelfahrtsgeschichte (Apostelgeschichte 1) spricht zwar davon, wie Christus in den Himmel aufgehoben wird, aber entscheidend ist Jesu Zuspruch an seine Jünger: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“, oder bei Matthäus: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt“.
  • Der Weg, der mit den Kindern zu gehen ist, ist der von der Entdeckung - und vielleicht auch Enttäuschung darüber-, dass Gott und auch Jesus Christus nicht im Himmel ‚wohnen’, zu der Erkenntnis, dass wir in all den Bildern und Vorstellungen vom Himmel noch nicht am Ziel unseres Suchens nach Gottes Wohnort sind. Die Kinder selbst sind es, die diesen Weg gehen und auch das Tempo ihrer Entdeckungen bestimmen. Hilfreich ist dabei vor allem die andere Bewegung, die nach dem Wirken Gottes auf der Erde fragt. Ein Arztkind hat es einmal so formuliert: „Gott wohnt im Himmel, aber auf der Erde hat er seine Praxis“. Wo finden wir seine ‚Praxis’? Kinder machen sich Gedanken, wie sich Gott wohl zwischen Himmel und Erde hin und her bewegen, etwa auf Sonnenstrahlen unsichtbar zur Erde und wieder hinauf zum Himmel rutschen könnte. Wo hinterlässt er Spuren in der Welt? Wo lebt und wirkt er in uns?
    (Kindertheologie)
  • Wie ist es mit den Verstorbenen? Das Tröstliche, das von den Vorstellungen der Verstorbe-nen im Himmel über den Wolken ausgeht, hat seine Berechtigung, solange es den Kindern gut tut und hilft, über den Trennungsschmerz hinwegzukommen. Bald aber kommen sie auch ins Nachdenken, wie wohl die Verstorbenen in den Himmel kommen. Graben die Engel etwa den Sarg wieder aus und bringen ihn nach oben? Nun ist es an der Zeit, Denkschritte zum unsichtbaren Himmel hin anzustoßen: Im Grab liegt und bleibt das, was übrig bleibt, wenn das Leben aus dem Körper entschwunden ist: Leben, das ist Lebendigkeit, das Lachen, die Stimme, die Wärme. Es sind die Gedanken und Gefühle, die Gesten der Verbundenheit und Liebe, auch die persönlichen Eigenarten. Wohin ist dieses jetzt unsichtbare Leben gegangen, nachdem es den sichtbaren Körper verlassen hat? Ist es einfach weg – oder dürfen wir es an den unsichtbaren Ort jenseits unserer Vorstellungen hin denken, den ‚Himmel’, der noch mehr ist als der Ort über den Wolken?

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