Situationen und Anlässe

  • Kinder bedenken, wo das Wort ‚Wunder‘ bzw. Wortverbindungen mit ihm ihrem Sprachgebrauch vorkommen und machen sich Gedanken zu deren Bedeutung.
  • Kinder hören biblische Wundergeschichten und fragen, ob das wirklich so passiert ist.
  • Kinder identifizieren sich mit Menschen, die in der Begegnung mit Jesus neues Vertrauen zu sich, in ihre Mitmenschen und zu Gott gewannen.
  • Kinder erleben in den Erzählungen mit, wie hoffnungslos Scheinendes eine Wendung zu einem guten Leben gewonnen hat.

Informationen


Im alltäglichen Sprachgebrauch sind Wunder etwas Besonderes, vielleicht sogar Außergewöhnliches. Über manches muss man sich wundern, findet es wunderschön, wunderbar. Wie ein Wunder ereignet sich etwas Hilfreiches, Rettendes, Unglaubliches. All dies ist auch erklärbar im Rahmen von Naturgesetzen und den Zusammenhängen von Ursache und Wirkung. Etwas Wunderbares wird es in der persönlichen Deutung und Würdigung, die Menschen solchen Ereignissen geben: die einen nennen es Zufall, ein unwahrscheinlich günstiges Zusammenkommen verschiedener Umstände, andere nennen es ein Gottesgeschenk.

Biblische Wundererzählungen gehen darüber hinaus. Sie berichten von Ereignissen mit übernatürlichem Charakter. Kranke werden anscheinend schlagartig gesund. Ein Sturm hört auf Jesu Befehl hin auf zu toben. Brote und Fische werden mehr; Wasser verwandelt sich in Wein. Tote werden wieder lebendig. Hier tun sich unterschiedliche Verstehensmöglichkeiten biblischer Wundererzählungen auf: Die einen halten am übernatürlichen Geschehen fest – Glaube ist dann das, was allen menschlichen Erklärungsmöglichkeiten widerspricht, was eben zu ‚glauben‘ ist. Für kleinere Kinder ist Jesus dann ein ‚Zauberer‘. In ihrer Welt, in der Reales und Märchenhaftes nebeneinander Platz haben, ergeben sich da noch keine Probleme. Aber wenn sie älter werden, wachsen die Zweifel: „Ist das wirklich wahr? So etwas gibt es doch in Wirklichkeit gar nicht!“

Eine andere Auslegungstradition geht der symbolischen Bedeutung des Erzählten nach: Was heißt es z.B., wieder ‚auf eigenen Beinen zu stehen‘? Welche tröstenden Worte können ‚Stürme der Angst‘ zum Schweigen bringen? Beides ist für das Verständnis der neutestamentlichen Wundergeschichten zu bedenken: Zuwendung zu Menschen, die Leb und Seele erfasst, heilend den ganzen Menschen verändert und so Wunderbares, schier Unglaubliches bewirkt – und auf der anderen Seite eindrückliche Erzählbilder mit großer symbolischer Aussagekraft. Beides steht im Dienst von Jesu Botschaft vom Anbruch des Reiches Gottes mit ihrer großen visionären Perspektive.

Jesus verkündete den Anbruch der Gottesherrschaft, des ‚Reiches Gottes‘, das nicht von außen durch den militärischen Sturz der römischen Besatzungsmacht kommt, sondern das in den Menschen beginnt und so die Welt verändert. Seine Botschaft wendet Hoffnungslosigkeit in Zuversicht, eine unerträglich gewordene Lebensperspektive in die Weite eines neuen Lebens mit der Fülle seiner Möglichkeiten. Besonders den Menschen am Rande der Gesellschaft machte er es deutlich: sie rücken in die Mitte seiner Aufmerksamkeit, ihnen wendet er sich zu, heilt, gib ihnen ihre menschliche Würde zurück.
Dass von Jesus heilende Kräfte ausgingen, wird in der theologischen Forschung heute kaum bestritten. Sie gelten der Person als Ganzes, im Zusammenwirken von Leib und Seele, von Körper und Geist. Heilung bedeutet so eine Anerkennung der individuellen Person, ein Neuwerden in dieser Zuwendung, das Zurückfinden in die Gemeinschaft mit den anderen und mit Gott. Da ist es wohl vorstellbar, dass solches Neuwerden auch den Körper erfasste.

Ihre uns bekannte schriftliche Form haben die neutestamentlichen Wundergeschichten erst in der Zeit nach Jesu Tod und Auferstehung bekommen, und so floss in sie auch der Glaube an Jesus Christus in der Zeit nach seiner leiblichen Gegenwart ein. In den wunderbaren Geschichten von seinem Wirken als Jesus von Nazareth wurde er auch jetzt als der unsichtbar Gegenwärtige wirksam erlebt, nämlich in der Lebenskraft, die diese Geschichten ausstrahlen und Menschen in sie mit hineinnehmen können. Zu wurde etwa die Erzählung vom Brot, das für alle reicht (Johannes 6), zum Bild für Jesus Christus, der für alle das ‚Brot des Lebens‘ ist. Er ist der ‚wahre Weinstock‘ – dafür steht auch die Geschichte von der Hochzeit zu Kana (Johannes 2).

Für das Erzählen in der Kita ergeben sich damit folgende Gesichtspunkte:

  • In der Begegnung mit Jesus geht es um ein Neu-Werden des ganzen Menschen.
  • Die Heilungen beziehen sich auf etwas, das den ganzen Menschen in seiner Eigenständigkeit stark macht.
  • In solchem Geschehen wird anschaulich, was Jesus mit dem Anbruch des Reiches Gottes meint.
  • Wundergeschichten sind Mutmachgeschichten – nicht gegen die alltägliche Realität, sondern als ein neuer, hoffnungsvoller Blick auf sie.
  • Um dieser Botschaft willen gilt es den Verdacht von ‚realitätsfernen Märchengeschichten‘ zu vermeiden, gleichzeitig aber auch die Hoffnungsperspektive dieser Geschichten mit ihrem Geheimnis zu wahren.
  • Wundererzählungen zielen nicht auf das möglichst genaue Erklären ihrer Details, sondern auf Perspektiven für ein Leben im Frieden mit sich selbst, mit den anderen und mit Gott.

Ergänzungen

Erzählungen von Jesu Wunderwirken bekräftigen anschaulich seinen besonderen Auftrag von Gott, die Vollmacht, in der er das Reich Gottes verkündigt. So wird oft vom Staunen der Menge erzählt (Markus 7,37).

Die Heilungswunder sind kein bloß medizinischer Vorgang, sondern eine Veränderung der ganzen Persönlichkeit. Der Gelähmte kann auf seinen eigenen Füßen stehen (Markus 2); die Frau mit dem verkrümmten Rücken gewinnt eine aufrechte Haltung (Lukas 13); der Mann mit der gelähmten Hand kann sein Leben wieder ‚in die Hand nehmen‘ (Markus 3); die Aussätzigen finden wieder ihren Platz in der Gemeinschaft (1,40ff.); der ins Dunkel seiner Blindheit Gestoßene sieht wieder Licht in seinem Leben (Markus 10,46ff.).

Mit seiner Reich-Gottes-Verkündigung stellt Jesus gängige und für die Betroffenen eingrenzende Regeln in Frage: Heilung ist wichtiger als die penible Einhaltung des Arbeitsverbots am Sabbat (Lukas 13,15ff.); Krankheit ist nicht Folge von persönlicher Sünde und Versagen, sie trennt nicht von Gott – entsprechende Ansichten werden wirkungslos (Markus 2,1ff.).

Heilungsgeschichten weisen auf die intensive Zuwendung Jesu zu den von Krankheit Betroffenen hin: Jesus fragt sie nach ihrem Wollen (10,51), kommt ihnen sehr nahe (Markus 7,31ff.), rührt sie an, spricht Worte mit eindringlicher Wirksamkeit.

Heilungsgeschichten erzählen selten, wie es mit den Geheilten nach der Begegnung mit Jesus weiterging. Da bleibt viel Raum für eigene Vorstellungen, wie das Neu-Werden der Geheilten Gestalt annahm.

Besonders in den sog. Naturwundern sind die Hintergründe der christlichen Gemeinden nach der Zeit des irdischen Jesus erkennbar. In der Sturmstillungsgeschichte (4,35ff.) steht Jesu Frage im Vordergrund: „Warum seid ihr so ängstlich? Habt ihr (noch) kein Vertrauen?“ Bezüge zur Situation der ersten Christenverfolgungen sind erkennbar. Bei der sog. ‚Speisung der Fünftausend (Markus 6,30ff.) fordert Jesus seine Jünger auf: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Und dann segnet der das Brot, teilt es, teilt es an die Jünger aus und die geben es an die Vielen weiter – so wie es die Apostel dann nach Jesu Auferstehung mit seiner Botschaft tun. Beim Letzten der Evangelisten, Johannes, ist die Speisungsgeschichte Auftakt zu Jesu Worten: „Ich bin das Brot des Lebens“. Und bei der Hochzeit zu Kana (Johannes 2) bringt Jesus den guten, wahren Wein – Bezüge zum Abendmahl mit Brot und Wein leuchten auf.

 

Religionspädagogische Anregungen

Erzählanregungen zu:

Markus 1, 40-44: Heilung des Aussätzigen
Markus 2: Wieder auf eigenen Beinen stehen
Markus 3,1-6: Was Hände bedeuten
Markus 6,30ff: Geschichte vom wunderbaren Teilen
Markus 7,31-36: Menachem findet seine Stimme
Markus 10,46-52: Jesus, hörst du mich?

Matthäus 8: Angst schwindet
Lukas 13: Heilung der Frau mit dem verkrümmten Rücken

 

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