Jesu Einzug in Jerusalem (Markus 11)

Ziele

  • Wahrnehmen, mit welchen Erwartungen und Befürchtungen der Jünger Jesus in Jerusalem einzieht
  • in der Symbolik dieses Einzugs das Besondere und Andersartige des König-Seins Jesu erfassen
  • mit einem Gleichnisbild das Vertrauen auf einen guten Ausgang des Geschehens bestärken

Vorüberlegungen

So ist auch die am Palmsonntag, dem Sonntag vor Ostern angesiedelte Geschichte vom Ein-zug Jesu in Jerusalem angelegt. Sie ist zum einen durchdrungen von der Begeisterung über den neuen und ganz anderen König Jesus, die schon eine wichtige Brücke schlägt zur österli-chen Freude. In ihr schwingt andererseits auch das dunkle Motiv der Niedrigkeit und Ge-waltlosigkeit, des Ausgeliefertseins an die Inhaber der politischen und militärischen Gewalt mit, die für einen Königsanspruch, gleich welcher Art es auch sein mag, kein Verständnis haben.

So kann Jesu Einzug in Jerusalem für die Kinder und für Hilfen zur Bewältigung ihrer Lebensaufgaben wichtige Akzente setzen:

  • Mit den Personen um Jesus erleben sie die Begeisterung mit, haben Anteil am Glanz eines königlichen Einzugs und genießen es mit, in der Beachtung der Menge zu stehen. Als seine Freunde erleben sie die große Aufmerksamkeit für Jesus und seine Verehrung.
  • Sie ahnen, dass diese Größe Jesu aber auch eine ganz andere Seite hat, nämlich die, Gewalt und Leiden, Scheitern und Tod auf sich zu nehmen.
  • Sie vertrauen auf Jesu Versprechen, dass auch dieser Einzug in die Hauptstadt Je-rusalem zu einem – wenn auch ganz anders als erwarteten - Erfolg führen wird, zu einem neuen Gegenwärtigsein Jesu.

Die Männer und Frauen um Jesus ziehen mit einem ganzen Bündel an Erwartungen und Hoffnungen, an Befürchtungen und Ahnungen, an Neugierde und Tatendrang, an Spannung und Vermutungen in die Stadt ein und sind mit dieser Doppellinigkeit der Gedanken und Empfindungen gut auf die dunklen und hellen Ereignisse der folgenden Tage, auf Trauer und de-ren Überwindung vorbereitet.


Der Erzählvorschlag setzt nicht erst beim Einzug Jesu in Jerusalem ein, sondern schlägt eine Brücke von den bisherigen Aufenthalten Jesu am See Genezareth bzw. am Jordan zu dem neuen Ziel. Damit werden die Kinder bei den meistbekannten Jesusgeschichten, von Zachäus zu den Gleichnissen und Krankenheilungen, gewissermaßen abgeholt.


In die anfänglichen Gespräche fließen auch Jesusworte ein, mit denen verständlich werden kann, was Jesus zum Gang nach Jerusalem drängt:

  • Gleichnis vom Senfkorn, das zur großen Senfstaude wird: Markus 4,30ff.
  • Bericht vom sog. „Rangstreit“ der Jünger: Markus 9, 33ff.
  • Leidensankündigungen: Markus 8,31ff.; 9,30ff.
  • Enttäuschungen und die Frage an die Jünger „Wollt ihr auch weggehen?“ (Johannes 6,66ff.)

Historisch gesehen lassen sich gewisse Ermüdungserscheinungen bei den bisherigen Aktivi-täten in Galiläa feststellen, die auch zu einer neuen Wendung und einem neuen Ziel auffor-dern: Jerusalem, die Hauptstadt, der Ort der politischen Macht.

Damit rückt zugleich der besondere Anspruch Jesu, sein ‚Königtum’ in den Brennpunkt der Erzählung – entsprechend den Titeln, mit denen Jesus nun immer mehr benannt wird: Sohn Davids, König der Juden, Messias. Im Verlauf der Gespräche – sowohl des Erzählvorschlags als auch mit den Kindern - kann dieses Profil des ganz anderen Königs zunehmend an Klarheit gewinnen.

Was in den Geschichten vom See Genezareth in helfender und heilender Zuwendung Jesu zu einzelnen Menschen begegnete, rückt nun in den viel weiteren Zusammenhang eines ‚Gottesreichs der Liebe’, welche das ganze Land verändert – wie immer sich die Kinder auch dieses ‚Reich Gottes’ vorstellen mögen.

Mit den sich profilierenden und konkurrierenden Vorstellungen von traditionell-politischer Königsherrschaft und der ‚königlichen’ Herrschaft Jesu wird auch die Gefahr spürbar, in die sich Jesus mit seinen Jüngern begibt. So werden die Kinder auch behutsam auf das Dunkle der folgenden Tage eingestimmt.
Wichtig ist dabei, dass es umrahmt ist von kräftigen Zeichen der Zuversicht, die dann in den Ostergeschichten, die von Begegnungen mit dem Auferstandenen berichten, ihre Bestä-tigung finden. Als solch ein vorausschauendes Anzeichen des guten Ausgangs wird zu Beginn der Erzählung das Gleichnisbild vom Senfkorn und Senfbaum eingebracht. Es steht dafür, dass auch durch die dunklen Ereignisse hindurch die Senfstaude der guten Erfahrungen mit Jesus weiter wachsen wird.

Die Erzählung ist in mehrere Teile gegliedert, aus deren Inhalten nach je eigenem Bedarf ausgewählt und der passende inhaltliche Erzählrahmen gewonnen werden kann.
 

Erzählung

1. Die Zeit am See Genezareth klingt aus

Wieder geht ein Tag zu Ende, an dem Jesus und seine Freunde viel erlebt haben. Müde sind sie von den vielen, nicht enden wollenden Gesprächen mit all den Leuten, die zu Jesus ge-kommen waren, ihn um Hilfe gebeten, seinen Worten aufmerksam zugehört und ihn vieles gefragt haben. Jetzt sind sie alle weggegangen, und die Jünger und Jesus sind wieder unter sich.

„Wird es dir eigentlich nie zu viel?“, spricht Jakobus Jesus an. „Es ist doch jeden Tag das-selbe. Da kommen die Leute in Scharen zu dir, freuen sich an dem, was du sagst und tust, und dann gehen sie wieder weg, und alles ist wie vorher. Und am nächsten Tag geht es wieder von vorne los. Soll das eigentlich endlos so weitergehen?“ Auch Simon schaltet sich in das Gespräch ein: „Jesus, du sagst doch immer wieder, dass mit dir und dem, was du tust, eine neue Zeit angebrochen ist, nämlich das Königreich der Liebe Gottes unter den Menschen“. – „Und ist es für euch nicht neu geworden?“, fragt Jesus zurück. „Doch“, stimmt Simon zu, „für uns ist es wunderbar mit dir. Aber es müssten doch endlich alle Leute verstanden ha-ben, was mit der neuen Zeit gemeint ist. Und dann müsste es langsam anders werden in den Städten und Dörfern. Aber jeden Tag kommen die Menschen wieder mit denselben Fragen, und die Not hört nie auf. Jesus, wann hast du endlich dein Ziel erreicht?“

Da steht Jesus auf, geht zu einer Senfstaude in der Nähe, bückt sich und nimmt ein winzig kleines Senfkorn in die Hand. „Schaut her“, sagt er, „so winzig klein ist das Senfkorn, und trotzdem wächst aus ihm ein großer, kräftiger Senfbaum hervor!“ – „Meinst du“, fragt An-dreas, „dass es mit deinen Worten und Taten genauso ist?“ Jesus nickt nur.
Simon sagt: „Ich stelle mir mit dem Senfbaum die Zukunft vor: das ganze Land, die Städte und Dörfer. Überall kennen dich die Leute und wissen, wer du bist und glauben deiner Bot-schaft - auch in unserer Hauptstadt Jerusalem“. „Richtig“, ergänzt Taddäus, „du bist doch der neue König der Liebe Gottes zu allen Menschen, du solltest eigentlich der König in Jeru-salem sein!“

Eine Weile sagt niemand etwas, dann spricht Jesus mitten in das Schweigen hinein: „Bald gehen wir nach Jerusalem!“ Da sind alle Jünger hellwach. „Nach Jerusalem?“ rufen sie durcheinander, „in die Hauptstadt, wo die Regierung ist, wo der römische Statthalter Ponti-us Pilatus wohnt?“ Jesus nickt.

 

Gesprächsimpulse

  • Kennst du auch das Gefühl, wenn nichts richtig vorangeht und man ungeduldig wird?
  • Statt einer Antwort nimmt Jesus ein winzig kleines Samenkorn des Senfbaums in die Hand und blickt zum großen Senfbaum. Was will er wohl damit sagen?
  • Das mit dem Senfkorn und dem Senfbaum haben die Jünger nicht vergessen.
  • Kennst du auch Gelegenheiten, bei denen es gut ist, sich an Senfkorn und Senfbaum zu erinnern?
  • Was geht den Jüngern wohl alles durch den Kopf, als Jesus ankündigt, nach Jerusalem zu gehen?

 

Erzählung 2: Auf nach Jerusalem

Die Müdigkeit ist verflogen. Die Jünger stecken ihre Köpfe zusammen und reden über den Plan, nach Jerusalem zu gehen. Auch Simon und Andreas haben viel zu bereden. Dann stehen sie auf und gehen zu Jesus.

„Jesus“, fängt Simon zögernd an, „wenn wir nach Jerusalem gehen, dann wirst du doch be-stimmt der neue König, der König der Liebe Gottes, und du regierst dann das Land so, wie du es gepredigt hast. Und dann wächst das neue Reich so wie ein Senfbaum, der riesengroß wird.“ Bevor Jesus antworten kann, fährt Andreas fort: „Wenn du regierst, dann brauchst du doch auch Stellvertreter und Minister. Und wir haben uns gedacht, wir sind doch am längsten mit dir zusammen, wir hätten doch wohl das meiste Anrecht darauf“.

Es entsteht eine Pause, und dann antwortet Jesus: „Ich glaube, ihr habt da etwas falsch verstanden. Mein Königreich hat nichts mit Macht und Glanz und Herrschaft zu tun. Es ist ein Königreich des Dienens und Helfens, des Verzichtens und auch das Mitleidens mit ande-ren!“ Die beiden Jünger schauen einander erstaunt an. Daran hatten sie nicht gedacht.

Dann wendet sich Jesus allen zu und sagt laut: „Mein Weg nach Jerusalem wird kein Weg sein, der mit meiner Krönung zum König endet. In der Stadt gibt es genug Leute, die sich gegen meine Botschaft wehren, die nichts von meinem Königreich wissen wollen, die mich zum Schweigen bringen und mich wahrscheinlich sogar töten wollen. Aber ich werde diesen Weg gehen, damit meine Botschaft auch dort zu ihrem Ziel kommt“. – „So wie mit dem Senfbaum“, murmelt Simon leise vor sich hin.

Und dann schaut Jesus sie alle aufmerksam an und sagt: „Ich stelle es euch frei, in eure Dörfer zurückzukehren. Ich möchte niemand dazu drängen, mit mir nach Jerusalem zu ge-hen!“ Da steht Simon auf und ruft laut: „Jesus, ich gehe mit dir mit! Und ich glaube, wir alle halten zu dir. Wir gehen mit dir nach Jerusalem. Wir vertrauen darauf, dass dein Weg der richtige Weg ist! Denkt an den Senfbaum!“ Alle anderen stimmen zu. Und wieder haben die Jünger viel miteinander zu bereden.

 

Gesprächsimpulse

  • Das mit Jesus als König und seinem Königreich ist gar nicht so einfach zu verstehen.
  • Was stellst du dir unter einem Königreich vor?
  • Was ist bei dem Königreich, das Jesus meint, anders?
  • Jesus redet auch von Gefahren. Aber die Jünger halten zu ihm. Was meinst du, aus welchen Gründen sie das wohl tun?

 

Erzählung 3: Die Stadt vor Augen

Viele Tage sind sie nun schon auf dem Weg nach Jerusalem. Den See Genezareth, der ihre bisherige Heimat war, haben sie schon lange hinter sich gelassen. Und dann ist es auf einmal so weit: hinter einer Wegbiegung geht der Blick übers Land, und vor ihnen liegt auf einem Berg die Stadt Jerusalem. Sie erkennen schon die dicken Mauern mit den Toren dazwischen, die Dächer der Paläste, in denen Pontius Pilatus, seine Minister und auch die Hohenpriester wohnen. Über allen ragt der Tempel heraus, wie ein riesiger Würfel steht das Allerheiligste mit seinen hohen Mauern da. Im Abendlicht glänzt das Gold, das die vielen Türme schmückt.

„Und da ziehen wir hin, mit dir als dem neuen König der Liebe Gottes zu allen Menschen?“ fragt Andreas unsicher. „Meinst du, ob das gut geht?“ Simon antwortet: „Was Jesus tut, ist immer richtig!“ – „Aber denkt doch daran“, meint Johannes, „was Jesus gesagt hat von den Schwierigkeiten, und dass sie Jesus vielleicht sogar töten wollen! Mir ist überhaupt nicht wohl bei der ganzen Sache!“ So reden sie noch eine Weile hin und her.

 

Gesprächsimpulse

  • In der Stadt Jerusalem ist vieles ganz anders, als es am See Genezareth war. Was meinst du, was dort alles anders ist?
  • Wenn die Jünger an die großen Paläste denken und an die Menschen, die darin wohnen, dann kommen ihnen auch mancherlei Gedanken, die ihnen Angst machen. Welche?
  • Jesus redet auch von den Gefahren. Aber die Jünger halten zu ihm. Was meinst du, aus welchen Gründen sie das wohl tun?

 

Erzählung 4: Der Einzug in die Stadt

Am nächsten Tag gehen zwei der Jünger mit einem ganz besonderen Auftrag in das nächste Dorf. Sie sollen dort einen jungen Esel holen, auf dem bisher noch niemand geritten ist. „Komisch“, meint Alphäus, „sonst ist doch Jesus immer zu Fuß gegangen, nie geritten“. – „Ich glaube, es hat einen ganz bestimmten Grund“, antwortet Jakobus. „Erinnere dich doch, was schon in den alten Schriften beim Propheten Sacharja steht, der vor langer Zeit zum Einzug des neuen Königs geschrieben hat: Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel “. – „Aber ein König mit einem Esel, das passt doch überhaupt nicht zusammen“, meint Alphäus. „Vielleicht doch“, meint Jakobus nachdenklich.

Dann sind sie mit dem Esel zurück bei den anderen. Jesus setzt sich darauf, und so ziehen sie nun das letzte Wegstück hinauf zur Stadt mit ihren Mauern und Toren, die vor ihren Augen immer größer werden. Was dann geschieht, hat sich wohl niemand von ihnen so vorge-stellt. Menschen kommen auf sie zu, werden immer mehr, begrüßen Jesus voller Freude und beten laut: „Gott, wir danken dir, dass du uns jetzt endlich den wahren König geschickt hast, auf den wir so lange gewartet haben!“ Und sie singen: „Jesus, wir begrüßen dich als unseren echten, richtigen König!“ Immer wieder rufen sie es.

„Jesus, wir wollen dir einen festlichen Einzug bereiten, wie es sich für einen König gebührt“, rufen ein paar aus der Menge mit lauter Stimme. Und schon legen die Leute Kleider auf den staubigen Weg, brechen Äste von den Bäumen und Sträuchern, pflücken Grasbüschel vom Wegrand. „Es soll ein Teppich der Ehre für dich werden“, rufen sie. „Zieh in die Stadt ein als unser lang erwarteter König der Ehren!“

Ein paar Stunden später ist alles vorbei. Jesus und die Jünger sind wieder unter sich, sitzen in einer Herberge beim Essen und Trinken. Alles ist noch so neu und fremd für sie: die gro-ßen Häuser, die vielen Straßen und Gassen. Aber am meisten müssen sie noch über den Jubel der Leute auf dem Weg zur Stadt nachdenken.
„Als König haben sie Jesus begrüßt“, meint Simon zu Andreas. Und der antwortet: „Meinst du, ob ihnen wirklich klar ist, was für ein König Jesus eigentlich ist?“ Und dann gehen ihnen auch wieder all die Gespräche mit Jesus in den letzten Tagen durch den Kopf.

 

Gesprächsimpulse

  • Ein König auf einem Esel – das passt doch überhaupt nicht zusammen. Oder doch?
  • Was meinst du dazu?
  • Die Leute haben Jesus stürmisch begrüßt. Was haben sie sich wohl von diesem König erwartet?

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