1. Mose 37ff.: Josefs Streit mit seinen Brüdern – Harter Abschied von der Rolle des ‚Kronprinzen’

In den Familiengeschichten des Buches 1.Mose geht es um das Leben und Überleben der Sip-pen, um Bedrängnis und Rettung, um Streitigkeiten und Versöhnung, und in alldem um Be-gleitung und Wegweisung durch Gott. In diesem ersten Buch der Bibel nimmt der große Er-zählzyklus von Josef den größten Raum ein. Er ist in späterer Zeit als die anderen Geschich-ten entstanden und erzählt als eine ‚Novelle’ vom Aufstieg Josefs, des Sohnes Jakobs und seiner Frau Rahel, zu einer der höchsten Führungspositionen im ägyptischen Weltreich. Für kleine Kinder und das Thematisieren ihrer Lebenserfahrungen, Vorstellungen und Gefühle eignen sich besonders der Anfang und das Ende dieses großen Erzählkomplexes.

Er beginnt mit Josef als verhätscheltem Lieblingskind, das als zehnter unter zwölf Brüdern (die die zwölf Stämme Israels repräsentieren) den anderen vorgezogen wird. Der Konflikt mit den älteren Brüdern bahnt sich an, und die Spannung steigert sich angesichts besonders zuspitzender Begebenheiten. Zum einen sonnt sich Josef in seiner Rolle, nimmt sie als selbstver-ständlich hin und bringt das auch – ohne sich in die Situation der Brüder und deren Empfindungen hineinzuversetzen, sehr direkt zum Ausdruck. So erzählt er ihnen unter anderem von einem Traum, in dem sich elf Kornähren vor der zwölften in der Mitte verneigten und nimmt ganz selbstverständlich für sich in Anspruch, diese zwölfte Ähre in der Mitte zu sein. Zum anderen wird Josefs Bevorzugung in einem Geschenk des Vaters an ihn unübersehbar. Er ü-bergibt ihm das wertvolle Familiengewand, das über die Generationen hinweg Alter, Würde und Zusammenhalt der Sippe symbolisiert. Die Brüder können dies nur als Ungerechtigkeit höchsten Ausmaßes verstehen.
Es kommt zur tätlichen Auseinandersetzung, die damit endet, dass Josef zunächst in eine leere Zisterne gesteckt und dann einer vorbeiziehenden Karawane in Richtung Ägypten übergeben wird.

In seiner ‚Kronprinzenrolle’ vermag Josef gar nicht wahrzunehmen, wie sein Verhalten auf seine Brüder wirkt, wie es provoziert, ihr Gerechtigkeitsgefühl verletzt. Wann dämmert ihm, dass er viel zur Wut seiner Brüder selbst beigetragen hat? In der Zisterne? Auf dem Weg nach Ägypten? Auch die Kinder sind zuweilen in der ‚Kronprinzenrolle’ und meinen, dass sich die ganze Welt um sie dreht. Da könnte diese Geschichte zum Perspektivenwechsel an-regen, zum Sehen mit den Augen der anderen.

Bei älteren Kindern könnte es zudem anregend sein, die Geschichte aus beiderlei Sicht zu erzählen: zuerst aus der des Josef und dann später – mit dem einsetzenden Nachdenken über dessen Rolle – auch aus der Sicht der Brüder. Da sieht Vieles dann auf einmal ganz anders aus.

Die Josefsgeschichte spannt noch einen weiteren Bogen als der Jakobszyklus. Da empfiehlt es sich, die Streitgeschichte als Einzelerzählung zu entfalten und dabei einen kurzen Aus-blick auf das gute Ende zu geben: In Ägypten arbeitet sich Josef, verbunden mit Rückschlä-gen, langsam und mühevoll in die führende Position des vom Pharao für die Sicherung der Nahrungsmittelvorräte Beauftragten vor. Damit lässt er seine Rolle als „Kronprinz“ endgültig hinter sich und erwirbt sich Ansehen durch eigene Leistungen, Sachverstand und Umsicht, dabei besonders durch die ihm von Gott geschenkte Gabe der Traumdeutung, mit der er eine drohende Hungersnot voraussagen konnte.
Nach Jahren kommt es wieder zu einer Begegnung mit seinen Brüdern. Während der inzwi-schen hereingebrochenen Hungersnot haben sie von Getreidevorräten in Ägypten gehört und sprechen bei dem – von ihnen nicht erkannten – Josef vor. Der bereitet ihnen zuerst einiges Ungemach, indem er sie des Diebstahls verdächtigt und einen der Brüder als Geisel nimmt – aber dann kommt es zum Wiedererkennen und zur Versöhnung. In all dem Auf und Ab des Geschehens wird für alle Gottes Führung erkennbar, die zur Rettung der Familie aus der Hungersnot geführt hat: „Ihr gedachtet es böse zu mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen“ (1. Mose 50,20).

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