Ruth: Im Vertrauen auf Gott eine neue Heimat suchen und finden

Vom Verlassen des Vertrauten und Anfang im Neuen erzählt ein kleines Büchlein der alttestamentlichen Schriften, das zwischen den Geschichtswerken des Richterbuches und der Samuelbücher gleichsam versteckt ist: das Buch Ruth.

Die Judäerin Noomi lebt im Nachbarland Moab, wohin ihre Familie, die aus Bethlehem stammt, wegen einer Hungersnot ausgewandert war. Ihre beiden Söhne hatten Moabiterinnen geheiratet. Aber wie ihr eigener Mann starben beide Söhne kinderlos. Noomi beschließt deshalb, in ihre Heimat Bethlehem zurückzukehren und schickt auch die beiden verwitweten Schwiegertöchter zu deren Elternhäusern zurück. Ruth, eine der beiden, fühlt sich ihrer Schwiegermutter, mit ihr auch dem Volk und der Religion ihres verstorbenen Mannes so sehr verbunden, dass sie beschließt, mit Noomi in deren Heimat zu ziehen – in der sie freilich eine Ausländerin, eine Fremde sein wird.

In Bethlehem genießen die beiden mittellosen Frauen das Armenrecht, und Ruth darf die bei der Ernte liegen gebliebenen Ähren einsammeln, um sich und ihre Schwiegermutter zu er-nähren. Dort kommt es auch zur Begegnung mit dem Besitzer des Feldes, Boas, einem ent-fernteren Verwandten der Noomi. Aus der Begegnung wird bald eine Liebesbeziehung. Noomi hilft mit, fädelt auch ein, dass sich Ruth nach dem Erntefest und bei der Übernachtung auf der Tenne zu Boas legt. Die beiden heiraten, und Ruth lebt fortan in geordneten Verhältnis-sen.

Etwas komplexer wird die Geschichte mit dem rechtlichen Hintergrund: nach ihm müsste der nächste männliche Verwandte Noomis Erbbesitz übernehmen und so Noomi wieder in die Familie integrieren. Er müsste dabei aber auch Ruth heiraten, um so anstelle der verstorbe-nen Söhne der Noomi die jüdische Nachkommenschaft zu gewährleisten. Dazu ist er aber nicht bereit. Er lehnt ab und gibt diese Rechtspflicht an Boas weiter, der sie gerne annimmt. Es geht in dieser Sicht also um die Integration von Nachkommen Noomis in den jüdischen Traditionszusammenhang – angesichts einer ausländischen Mutter.

Besonderes Gewicht kommt diesen juristischen Regelungen auch deshalb zu, weil der ge-meinsame Sohn von Ruth und Boas mit Namen Obed als der Großvater des berühmten Königs David gilt, Ruth also Davids Urgroßmutter ist. Der Hinweis darauf, dass der als der größte König Israels und Judas verehrte König eine ausländische Urgroßmutter hatte, kann als Kritik an nationalistisch-ausländerfeindlichen Tendenzen in der Spätzeit Judas gelesen werden. Die Erzählung ist vermutlich in dieser Zeit legendenhaft ausgestaltet worden. Sie betont, wie sehr auch eine Frau aus dem mit Juda verfeindeten Moab eine treue Anhängerin des Glaubens an den einen Gott war, diesem Glauben trotz der damit verbundenen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten die Treue gehalten hat. Das macht sie so zu einer in ganz besonde-rer Weise beeindruckenden Repräsentantin dieses Glaubens.
Umgekehrt ist diese Geschichte auch ein Beleg dafür, wie das Vertrauen auf diesen Gott auch bei einem Weg in die Fremde nicht enttäuscht wird, sich durch Gottes Fügung alles zum Guten wendet.

Für Kinder ist die Situation des Übergangs ein wichtiger Anknüpfungspunkt an ihre Erfah-rungen und Herausforderungen. Die mutige Ruth kann zu einem Vorbild ihres eigenen Glaubens werden. Wichtig ist auch, dass neben den vielen biblischen Männern in den anderen Geschichten hier die Frauen im Mittelpunkt stehen.
Und auch das Nachdenken darüber, wie Gott in zwischenmenschlichen Bezügen wirken kann, findet mit dieser Geschichte Nahrung.

Beim Erzählen für Kinder gilt es die differenzierten Verflechtungen im biblischen Text auf Weniges zu reduzieren und damit das Grundthema anschaulich werden zu lassen: den Mut und die Zuversicht, beim Weg ins Unbekannte und die Erfahrung der Begleitung durch Gott, die sich in den auf wunderbare Weise ergebenden Beziehungen zeigt.
 

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