Situationen und Anlässe

 

  • Gespräche im Morgenkreis
  • Kinder stellen ‚große Fragen‘
  • Biblische Geschichten regen zum Nach- und Weiterdenken an

Informationen

Erste Klärungen: Theologie und Kinder
Das Theologisieren der Kinder, d.h. ihr Nachdenken über Gott und den Glauben an ihn samt dessen Auswirkungen auf das Miteinander geht von zwei zentralen Voraussetzungen aus:

Theologie:
Theologische Aussagen und Gedankengänge sind nicht unveränderlich festgeschriebene Wahrheiten, sondern Ausdruck des je neuen Nachdenkens über die Überlieferungen des Glaubens. Veränderte Lebenssituationen, Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse fordern auch zum Bedenken dessen heraus, was das für die Glaubensüberlieferungen bedeutet. Was drängt zu neuen Klärungen? Was gilt es angesichts von Fragen und Zweifeln auf neue Weise zu präzisieren und zu erläutern? Wo fordern Unverständnis und Missverständnisse zu neuen Formulierungen und Gedankengängen heraus? Theologie ist ein Nachdenken über den Glauben, das sich den Überlieferungen verpflichtet weiß und diese zugleich mit zeitgemäßen, möglichst einleuchtenden Argumenten zu erschließen versucht.

Dazu sind alle Glaubenden aufgerufen und eingeladen, von den Theologen, die sich mit ihren Studien besondere Fähigkeiten angeeignet haben, zu denen, die ihrem persönlichen Glauben den für ihr Leben treffenden, angemessenen Ausdruck zu geben versuchen. Dazu gehören natürlich auch die im Bildungsbereich Tätigen mit ihrer Aufgabe, Interesse an theologischen Gesprächen zu finden und damit in Kindern und Jugendlichen die Freude an den ihnen angemessenen Formen des Theologisierens zu wecken.

Kinder:

In diesem Sinn sind Kinder eingeladen, sich an solchem Betreiben von Theologie zu beteiligen. Sie sind keine Gefäße, die es mit klugen Gedanken anderer zu füllen gilt. Sondern sie sind kompetent im Sich-Aneignen und auch gedanklichen Durchdringen ihrer Erfahrungswirklichkeit. Weil Glaube mitten in diese Wirklichkeit hineingehört, gilt das auch für ihr eigenständiges Nachdenken über Gott und den Glauben.

Kinder haben ihre eigenen Zugänge zu ihrer Lebenswelt. Mit endlosen Warum-Fragen suchen sie nach ihnen verständlichen Ursachen. Erklärungen müssen bildhaft-anschaulich sein. Die Grenzen zwischen Phantasie und Realität sind noch viel durchlässiger als die der Erwachsenen. Gemeinsam mit den Erwachsenen aber ist ihre Fähigkeit zum Theologisieren, zum Nachdenken über die großen Fragen des Glaubens und Lebens – mit dem Potential, das ihnen zur Verfügung steht.

Nicht jede Äußerung von Kindern zu religiösen Themen ist bereits Kindertheologie. Kriterium dafür ist ein den Kindern angemessenes eigenes Ergründen von Zusammenhängen, das Stellen von Fragen und Suchen nach Antworten.

 

Theologisieren und Philosophieren

Viel von dem, was für das Theologisieren der Kinder gilt, trifft auch für ihr Philosophieren zu. Es geht dort um
sprachliche und auch andere kreative Ausdrucksfähigkeit,

  • die Anstrengung, Dinge möglichst klar zu benennen,
  • das Entwickeln von Argumenten samt der Bereitschaft, mit ihnen Position zu beziehen und auch zu verteidigen,
  • das Ordnen von Übereinstimmungen und Widersprüchen, um Kreativität und Phantasie,
  • das Staunen über die Welt, die sich mit dem Schlüssel des eigenen Wahrnehmens und Suchens nach Bedeutungen, des Erkennens größerer Zusammenhänge auftut.

Theologisieren und Philosophieren stärken das Zutrauen zu sich selbst, die Freude am eigenen Nachdenken und Argumentieren, die Fähigkeit zum Zuhören und zum anerkennenden Umgang mit anderen Meinungen. Wie sehr diese Aktivitäten auch die gesamte Philosophiegeschichte bestimmen, zeigt das folgende Zitat von Ekkehard Martens (Philosophieren mit Kindern. Eine Einführung in die Philosophie, S.26): „In der reichhaltigen Tradition der Philosophiegeschichte bis in die Gegenwart hinein lassen sich vielmehr unterschiedliche Möglichkeiten entdecken, mit Kindern zu philosophieren. Metaphysisch tiefes, existenzphilosophisch ernsthaftes, skeptisch nachfragendes, analytisch klares und nicht zuletzt heiter staunendes Philosophieren sind unterschiedliche Facetten der einen Philosophie.“ Entsprechendes gilt für die Geschichte der Theologie.

Der Unterschied zwischen dem Philosophieren und dem Theologisieren liegt in den Voraussetzungen. Philosophieren ist voraussetzungslos, lediglich der Überzeugungskraft der Argumente, d.h. ihrer Widerspruchsfreiheit und möglichst universalen Geltung verpflichtet. In solchem Sinne geht es durchaus auch im Philosophieren um Fragen nach Gott.

Theologisieren geht von Überlieferungen mit verpflichtendem Charakter aus – freilich nicht im unbefragten Anerkennen ihrer Wahrheit, sondern in kritisch-konstruktiver Auseinandersetzung mit ihnen. Christliches Theologisieren wird andere Ausgangspunkte wählen als z.B. jüdisches oder islamisches, wird auch unterschiedlichen Auslegungstraditionen folgen.

So setzt christliches Theologisieren bei biblischen und nachbiblischen Überlieferungen an, ohne aber damit Ziel und Ergebnisse des Theologisierens festzulegen. Es geht nicht darum, auf vorher schon feststehende Wahrheitsaussagen zuzusteuern, die es zu bestätigen gilt. Vielmehr gilt es Überlieferung als Ausgangspunkt für eigenes Nachdenkens und den Umgang mit ihr zu nehmen. Auch in den eigenen Überlegungen der Kinder gilt es immer wieder die Beziehung zu diesem Ausgangspunkt zu suchen, mit ihm in Verbindung zu bleiben. Das geschieht zum Beispiel, indem sich die Kinder in die Personen einer erzählten biblischen Geschichte hineinversetzen, sich ihren je eigenen Zugang zu ihnen suchen, d.h. zu dem, was sie tun und sagen. Da mögen sich Differenzen und unterschiedliche Meinungen und Positionen auftun - das ist dann geradezu ein Qualitätsmerkmal für das Theologisieren. Aber die sollten den Bezug zum Szenarium bzw. den Intentionen der biblischen Geschichte nicht verlieren. Auch das Klären von Begriffen des christlichen Glaubens verlangt immer wieder nach Bezügen zu entsprechenden Überlieferungen.

Insgesamt gilt: Grenzziehungen zwischen dem Philosophieren und dem Theologisieren sind keine scharfen Abgrenzungen, sondern markieren unterschiedliche Gesamtintentionen. Sie gelten weniger für die konkrete Gesprächsführung, als vielmehr für das Eröffnen der theologischen Gespräche und dem damit gesetzten Rahmen.

 

Ergänzungen

Ekkehard Martens grenzt seine Konzeption des „Philosophierens mit Kindern“ nach zwei Seiten ab. Die eine Seite – er nennt sie „Philosophieren für Kinder“ – zielt auf ein Bekanntmachen der Kinder mit den in der Philosophiegeschichte bearbeiteten Grundfragen, gewissermaßen eine aus Erwachsenenperspektive herablassend auf ‚Kindermaß‘ zurechtgestutzte Philosophie. Die andere Seite ist ein unkritisches Annehmen aller Kinderäußerungen, ohne dass die „orientierende Kraft des Selbstdenkens“ gepflegt und gefördert würde. Da kann dann alles, was die Kinder sagen, philosophisch genannt werden. Dazwischen steht das dialogische Philosophieren mit Kindern, in dem sie jeweils neu zum Anwenden ihrer philosophischen Fähigkeiten angehalten werden.

Dieser Unterscheidung entspricht beim Theologisieren ein Theologisieren für Kinder, bei dem ihnen viel erklärt wird, sie auf gezieltes Fragen die richtigen Antworten bekommen bzw. geben, theologische Begriffe anwenden können, zum Wiederholen von Erklärtem aufgefordert werden. Viele Erwachsene haben Erinnerungen an einen Religionsunterricht, in dem die Gespräche in einen vorbereiteten theologischen Leitsatz mündeten. Eigene Meinungen dazu wurden weniger gefragt

Zum Mangel an philosophischer Klarheit tritt beim Theologisieren der Kinder das fehlende Gegenüber der Überlieferungen mit ihren Akzentsetzungen. Wenn alles, angemessen, passend, richtig ist, was die Kinder sagen, droht die Beziehung zur religiösen Überlieferung verloren zu gehen. Sie gibt dem Gespräch einen Rahmen, hat auch einen verpflichtenden Wahrheitsanspruch.

Zwischen dem Theologisieren für und der Kinder steht das Theologisieren mit Kindern, analog zum dialogischen Philosophieren. Es nimmt die Kinder mit ihren Aussagen auch darin ernst, indem sie

  • zu präzisierenden Erläuterungen ermuntert,
  • auf offen gebliebene Fragen aufmerksam gemacht,
  • auf Widersprüche zu anderen Positionen hingewiesen werden.

Das Theologisieren mit Kindern stellt damit auch besondere Anforderungen an die Gesprächsleitung der Erwachsenen.

 

Religionspädagogische Anregungen

 

 

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