20 - Himmelsleiter, Stufentempel und Vorstellungen der Kinder
 
      (zu: Jakob träumt seine Begegnung mit Gott, Seite 82)
 
Das mit „Leiter“ übersetzte hebräische Wort weist eher die Richtung einer Treppe und damit zu den im Zweistromland Babylonien ausgegrabenen Stufentempeln. In ihnen wurde der himmlische Wohnbereich der Götter mit dem irdischen der Menschen verbunden und dieser damit zum Mittelpunkt der Welt bestimmt.
 
Respektvoll nennt Jakob diesen geheimnisvollen Platz, an dem er anschaulich die Nähe Gottes geträumt hat, Bethel (= Haus Gottes). Aber während die damals realen Stufentempel ihren unveränderlichen Ort hatten und die Priester auf den Stufen zwischen Himmel und Erde die Verbindung zwischen Gott und Mensch herstellten, bleibt es bei Jakob ein Traum, und die Gottesbotschaft wird nicht von den Engeln überbracht, sondern von ihrem göttlichen Urheber selbst, der ihn auch nicht an diesen heiligen Ort bindet, sondern mit ihm geht, sein Wegbegleiter wird.
 
Mit Israels Sesshaftigkeit und der Entstehung der beiden Königreiche Israel im Norden und Juda im Süden wurde Bethel die Hauptstadt Israels und Jerusalem die des Südreichs, dem die politische und religiöse Führungsrolle zukam. In der Jerusalemer Königstheologie, die in manchen Psalmen erkennbar ist (> S.141 D), wird dieser Ort auch als Mittelpunkt der Welt und der Verbindung zwischen Himmel und Erde besungen (z.B. Psalm 48, 2-4). Der Zionsberg ist Gottes Thron (Psalm 135,21), an dem sich Himmel und Erde berühren.
 
Die Vorstellung vom Gottesberg als Wohnort Gottes und der Verbindung zwischen Himmel und Erde wird auch dem Berg Sinai in der östlichen Halbinsel Ägyptens zugeordnet. Dort oben begegnete Mose dem Gott Israels, nahm die Gebote in Empfang und kehrte mit verklärt glänzendem Gesicht zu seinem Volk an dessen Fuß zurück (2. Mose 19).
 
Vorstellung der Kinder von Himmel und Erde
 
Seit alters her wird Gottes Wohnen im Himmel vorgestellt (vgl. auch die Erzählung zu Christi Himmelfahrt, Band 1, S.234ff.). Auch wenn in der Unterscheidung zwischen astronomischem und spirituellem Ort, zwischen sky und heaven Letzteres das Symbol für Gottes Jenseitigkeit ist, die nicht auf Erden lokalisiert werden kann, wird auch dieser geistige ‚Himmel‘ unwillkürlich mit Vorstellungen von ‚oben‘ verbunden. Wenn Kinder nach solch einem Ort suchen, benennen sie oft einen Raum weit, weit entfernt hinter dem, was menschlichem Entdecken zugänglich ist. Es ist ein Bereich hinter den Wolken, hinter Mond, Sonne und Sternen, einfach allen erkennbaren Himmelskörpern. Ortlosigkeit ist einfach noch so schwer vorstellbar.
 

 

Aber wie kann Gott auf der Erde wirksam sein? Diese Frage zwingt die Gedanken und nach Lösungen suchende Phantasie wieder zum irdischen Diesseits hin und eröffnet gedachte göttliche Bewegungen zwischen Himmel und Erde, Jenseits und Diesseits, Transzendenz und Immanenz, Unsichtbarkeit und Wirksamkeit. Theologisch gesprochen geht es um die zentrale Thematik der Offenbarung Gottes in der Welt. Ein Kind hat das einmal für sich sehr anschaulich auf den Punkt gebracht: „Gott wohnt im Himmel, aber seine Praxis hat er auf der Erde“.

 

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